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Neonazis: Jürgen Rieger - Der braune Investor

In Faßberg will Jürgen Rieger ein Hotel kaufen und ein Zentrum für die rechte Szene daraus machen. Der rechtsextreme Rechtsanwalt gilt als ein umtriebiger Spekulant.

Das Landhaus Gerhus hat schon bessere Zeiten erlebt. Der Gasthof in der kleinen niedersächsischen Gemeinde Faßberg ist heruntergekommen, der große Campingplatz nebenan ist verwaist. Dennoch gibt es einen Käufer, der angeblich bereit ist, viel Geld für das Areal zu bezahlen. Jürgen Rieger, Rechtsanwalt und Neonazi aus Hamburg, hat große Pläne mit dem Komplex: In dem Gebäude soll ein Treffpunkt für Rechtsextreme aus der Gegend und der ganzen Bundesrepublik entstehen.

Faßberg verfügt allerdings über ein Vorkaufsrecht, die Gemeinde will unbedingt verhindern, dass der rechtsextreme Jurist das Landhaus erwirbt. Es gebe einen Investor, der das Gebäude in eine Pflegeeinrichtung umbauen will, sagt der Bürgermeister. Kommt es zu keiner Einigung zwischen der Gemeinde und den Verkäufern, steht wohl eine Zwangsversteigerung an.

Rieger versuchte deswegen offenbar Ende Juli Fakten zu schaffen: Er berief sich auf einen Pachtvertrag, den er mit den Besitzern unterzeichnet habe und kündigte dem Zwangsverwalter per Fax das Aufbrechen von Schlössern an.

Die rechtsextreme Kameradschaft "Celle 73“ zog anschließend im Landhaus Gerhus ein und verkündete, Riegers Interessen durchzusetzen. Erst ein Polizeieinsatz und ein Gerichtsentscheid beendeten die Hausbesetzung. "Heute in der Frühe um 05.30 Uhr begann das System mit einem Generalangriff auf unser geplantes Zentrum in Norddeutschland“, kommentierte die Kameradschaft den Polizeieinsatz im Internet. Da das Landgericht Lüneburg die Räumung des Gebäudes angeordnet hatte und die Bereitschaftspolizei bereits vor dem ehemaligen Hotel aufmarschiert war, ließen sich die Besetzer von den Beamten abtransportieren.

Es funktioniert jedes Mal nach demselben Schema: Ein Hotel, ein Gasthof oder ein anderes großes Gebäude, meist im schrottreifen Zustand, soll verkauft werden, doch der Besitzer findet keinen, der es haben will. Dann sickert in der Lokalpresse durch, dass es ein dubioses Angebot gebe, ein Neonazi wolle kaufen. Dann fällt ein Name: Jürgen Rieger.

Der Vorsitzende der Hamburger NPD, der auch stellvertretender Chef der Neonazi-Partei auf Bundesebene ist, versucht in ganz Deutschland Schulungszentren für Gesinnungsgenossen aufzubauen. Rund ein Dutzend Immobilien sollen Rieger gehören oder von ihm verwaltet werden, schreibt die Szenekennerin Andrea Röpke in dem Buch Neonazis in Nadelstreifen. Rieger sei ein glühender Hitler-Verehrer heißt es darin. "Er gilt als einflussreicher NPD-Aktivist, der verschmitzt zusieht, wie Preise für verkommene Immobilien in die Höhe schnellen und Bürgermeister von Bayern bis Brandenburg unruhig werden, sobald er irgendwo auftaucht“, schreibt Röpke.

Sobald sein Name als Kaufinteressent fällt, berichten Medien über Kleinstädte wie Dörverden in Niedersachsen, Pößneck in Thüringen oder eben momentan über Faßberg. In den beiden erstgenannten Orten verfügt Rieger über zwei große Immobilien. Den so genannten Heisenhof in Dörverden kaufte er 2004 bei einer Vermögensverwaltung der Bundesregierung. Das Gebäudeensemble nutzte früher die Bundeswehr.

Das Schützenhaus in Pößnek erwarb der Hamburger Neonazi von einem Privatmann. Bundesweit in die Schlagzeilen geriet Pößnek, als Rieger den ehemaligen Gasthof einigen braunen Kameraden für ein Rechtsrockkonzert überließ. Auch Parteitage der NPD sollen in Riegers Gebäuden stattgefunden haben.

Rieger ist bundesweit als Strafverteidiger von bekannten Neonazis aktiv. Auf seiner Homepage verweist er darauf, dass unter anderem "politisches Strafrecht" zu seinen Schwerpunkten gehöre. Selbst steht der Neonazi auch häufig vor dem Richter. Zuletzt fand eine Razzia bei Rieger statt, bei der Polizisten ein Sturmgewehr fanden. Rieger soll sich nun wegen eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vor Gericht verantworten. Rieger verkündete daraufhin, dass er auch noch eine Panzerfaust besitze.

Der niedersächsische Verfassungsschutz beobachtet seit Jahren, dass Rechtsextreme versuchen, Gebäude zu kaufen, die als örtliche Treffpunkte und Schulungszentren der Freien Kameradschaften und rechtsextremistischer Parteien genutzt werden können. Nicht immer steht hinter dem Angebot von Neonazis tatsächlich die Absicht, Immobilien zu erwerben. "Häufig nutzen Rechtsextremisten das Bekanntwerden ihrer angeblichen Kaufabsichten, um sich in den Medien zu profilieren und finanzielle Vorteile zu erzielen“, schreiben Experten im Verfassungsschutzbericht Niedersachsens 2008. Ob das in diesem Fall auch der Grund für Riegers Kaufinteresse ist, lässt sich nicht beweisen.

Sobald Neonazis um Immobilien mitbieten, steigen fast immer die Kommunen in die Verhandlungen ein. Dadurch steigen die Preise, Städte und Gemeinden zahlen dann Summen, die über dem Marktwert liegen, um die Rechtsextremen zu stoppen. "Bei solchen politisch motivierten Scheingeschäften kann es vorkommen, dass der Verkäufer an die Rechtsextremisten für ihre `Bemühungen’ eine Provision zahlt“, schreiben die Verfassungsschützer.

Rieger, der in einer Villa im Hamburger Nobelstadtteil Blankenese wohnt, investiert in der Regel nicht sein Privatvermögen beim Kauf. Die meisten seiner Immobiliengeschäfte wickelt der 63-Jährige als Direktor der Kapitalgesellschaft Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation Limited ab. Die Firma ist im britischen Handelsregister eingetragen. Benannt ist sie nach einem Bremer Altnazi, der in seinem Testament Teile seines Millionenvermögens für Riegers Sache gab. Das Erbe floss in die so genannte Stiftung.

Mit dem Geld der "Briefkastenfirma“ (Röpke) versucht Rieger immer wieder, Immobilien zu erwerben. Vor allem in Niedersachsen ist er aktiv. Dort besitzt er neben den Gebäuden in Dörverden auch ein Kino in Hameln. In Wolfsburg will er ein "KdF-Museum“ errichten, das der NSDAP-Propagandakampagne "Kraft durch Freude“ huldigen soll. Einen Verein als Träger habe er bereits gegründet, teilte Rieger mit. Rieger wolle mit dem Museum an den wahren Erfinder des Volkswagen erinnern, an Adolf Hitler, schrieb er in einer Stellungnahme.

In der Lüneburger Heide unterhielt er auch das Neonazi-Schulungszentrum in Hetendorf, das 1998 von den Behörden geschlossen wurde. Der Szene fehlte danach ein für große Treffen geeignetes Gelände.

"Um planungssichere Veranstaltungen durchführen zu können“, wie Rieger erklärte, wollte er im niedersächsischen Melle ein ehemaliges Bahngebäude erwerben. Er hatte bereits einen Kaufvertrag für den Bahnhof abgeschlossen, verzichtete dann aber, nachdem die Gemeinde ihm harte Auflagen für den Gastronomiebetrieb gemacht hatte. Deswegen habe sich das von ihm beabsichtige Konzept nicht realisieren lassen, klagte Rieger. Der Neonazi wollte Wohnungen in dem Gebäude als Gästezimmer nutzen und einen großen Raum für Versammlungen, Tagungen und Schulungen nutzen.

Rieger suchte weiter nach passenden Immobilien. Anfang 2008 kündigte Rieger an, eine alte Mühle in Achim im Landkreis Verden kaufen zu wollen. Laut Verfassungsschutz zog er sich zurück, als Gemeinde und Landkreis entschieden, sich nicht auf ein Wettbieten einzulassen.

Das Landhaus Gerhus will Rieger anscheinend nicht so leicht hergeben. Das Landgericht Lüneburg hat ihn zwar zur Räumung des Hotels und zur Übergabe an einen Zwangsverwalter verurteilt, doch das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und der Hamburger Neonazi-Anwalt dafür berüchtigt, dass er bis zur letzten Instanz klagt. Der Zwangsverwalter hält Riegers Pachtvertrag für sittenwidrig und strebt eine Zwangsversteigerung an.

Rechtsextreme Seiten im Internet spotten über die Behörden und die "Bundesrepublikaner“, die nun "erleichtert aufatmen könnten“, weil "ein ganz gefährliches braunes Schulungszentrum“ verhindert werden konnte. Auf der Seite der Kameradschaft "Celle 73“ schreibt der Autor "Steiner“: "Am Ende gehört uns das Ding! – und zwar in Kürze“. Steiner ist der Spitzname von Thomas Wullf. Der langjährige Weggefährte Riegers gehört ebenfalls dem Bundesvorstand der NPD an. Ihn verteidigte Rieger vor kurzem in einem Verfahren in Bayern – Wulff hatte eine Reichskriegsflagge in das Grab eines verstorbenen Altnazis gelegt.

Die Hoffnung der Faßberger Bürger, dass der braune Spuk im Landhaus bald vorrüber sei, könnte ein Wunsch bleiben. Sollte der Pachtvertrag aufgehoben werden, dann wolle Rieger bei der Zwangsversteigerung mitbieten, zitierten verschiedene Medien der Neonazi.

Quelle: ZEIT ONLINE

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