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Politik: Neue Chancen bei der Auslese

Paris - Als Richard Descoings, der Direktor des „Institut de Sciences Politiques“, 2001 eine Öffnung des Aufnahmeverfahrens für Studenten aus Problemvierteln Pariser Vorstädte bekannt gab, kam dies einer Revolution gleich. Das sakrosankte Ausleseprinzip, nach dem unter tausenden Bewerbern nur die Besten durch strenge, für alle gleiche Prüfungsverfahren rekrutiert werden, schien in Frage gestellt.

Paris - Als Richard Descoings, der Direktor des „Institut de Sciences Politiques“, 2001 eine Öffnung des Aufnahmeverfahrens für Studenten aus Problemvierteln Pariser Vorstädte bekannt gab, kam dies einer Revolution gleich. Das sakrosankte Ausleseprinzip, nach dem unter tausenden Bewerbern nur die Besten durch strenge, für alle gleiche Prüfungsverfahren rekrutiert werden, schien in Frage gestellt. Eine Entwertung der anspruchsvollen Ausbildung für künftige Führungskräfte in Politik und Wirtschaft an der kurz „Sciences Po“ genannten Pariser Eliteschule wurde befürchtet. Fünf Jahre danach zeigt sich, wie recht Descoings damals hatte. Das republikanische Prinzip, wonach jeder ohne Rücksicht auf Herkunft und Geld allein durch schulischen Erfolg aufsteigen kann, hält der sozialen Wirklichkeit nicht stand. Wer am Rand der Gesellschaft lebt, hat eben doch die schlechteren Karten. Der Aufruhr der Jugendlichen im vergangenen Herbst in der Pariser Banlieue hat dies auf dramatische Weise deutlich gemacht.

Etwa 70 Prozent der Jugendlichen eines Jahrgangs legen heute das Abitur ab. Doch Kinder, die der sogenannten Unterschicht angehören, versagen häufiger als solche, die zur Oberschicht zählen. Die Schule ist keineswegs der Ort, an dem soziale Schicksale umverteilt werden. Dasselbe gilt für Frankreichs Universitäten. Jugendliche, die durch Herkunft, familiären Hintergrund und Wohnort sozial benachteiligt sind, brechen eher als andere das Studium ab.

Dass dies nicht unabänderlich ist, zeigt die Initiative des „Sciences Po“-Direktors. Sein Institut schloss mit Schulen in den Problemvierteln Partnerschaftsverträge. Danach halten die Lehrer früh nach begabten Schülern Ausschau, motivieren sie und bereiten sie mit Unterstützung von „Sciences Po“ auf die Aufnahmeprüfung vor, die nach den gleichen Regeln wie für die anderen Bewerber abgelegt wird. Die ersten der durch diese soziale Öffnung ausgewählten 264 Studenten haben ihre Abschlussprüfungen bestanden. Der Erfolg veranlasste nach „Sciences Po“ auch andere Eliteschulen, dem Beispiel zu folgen.

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