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Nur außen grau: der Bundesrat.

© Imago/Markus Heine

Koalitionsvielfalt im Bundesrat: Neue Farbenlehre

Die drei Landtagswahlen vom März haben neue Koalitionskonstellationen zur Folge. In der Länderkammer geht es immer vielfältiger zu. Mit größeren und kleineren Folgen.

Im Bundestag sitzen bekanntlich Abgeordnete aus fünf Parteien in vier Fraktionen: CDU, CSU, SPD, Linke und Grüne. In den Länderbänken im Bundesrat nehmen derzeit Vertreter von sechs Parteien Platz, demnächst werden es sieben Parteien sein. Denn wenn die Freien Demokraten nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen in Mainz tatsächlich in der Regierung von Rheinland-Pfalz vertreten sein werden, wird es auch wieder ein gelbes Eckchen geben in der Sitzverteilungsgrafik auf der Website des Bundesrats. Das Eckchen wäre so groß wie das des Südschleswigschen Wählerbunds (SSW), der in Kiel mitregiert und daher auch im Bundesrat ein minimaler Faktor ist.

Der Bundesrat ist immer ein ganz guter Seismograf der wechselnden Stimmungen in der Republik. Denn während der Bundestag nach der Wahl für vier Jahre seine Zusammensetzung kaum mehr ändert, liegt in jeder Landtagswahl das Zeug zu einer kleinen oder auch größeren Bewegung in der Länderkammer. Diese Veränderungen sind es, die die Lage in der Republik besser abbilden als der in seiner Wahlperiode unveränderliche Bundestag.

Nur noch eine Alleinregierung

Alleinregierungen sind aus der Mode geraten, es gibt nur noch eine, die in München, und dass es die auch nach der Wahl 2018 geben wird, ist unsicher. Aber bis dahin ist es noch lange hin. Zweierkoalitionen dominieren das Bild, in wechselnden Konstellationen, die immer vielfältiger werden. Es gibt Schwarz-Rot (dreimal) und Rot-Schwarz (zweimal), also das, was man früher große Koalition nannte. Dann gibt es neuerdings Schwarz-Grün (einmalig in Hessen), und aus der grauen Vorzeit der Lagerbildung gibt es noch das einstige Zukunftsmodell Rot-Grün, das immerhin noch in fünffacher Ausfertigung existiert und für sein fortgeschrittenes Alter auch ganz gut zu funktionieren scheint. Dazu kommt die eine rot-rote Verbindung in Brandenburg.

Aber es sitzen auch schon Vertreter zweier Dreierkoalitionen in der Länderkammer. Und zwar die rot-grüne Koalition in Schleswig-Holstein, die sich den SSW an Bord holen musste zwecks Mehrheit, und in Thüringen die rot-rot-grüne Koalition. Demnächst kommen zwei hinzu, wie es aussieht: eben Rot-Grün-Gelb aus Rheinland-Pfalz und dann noch Schwarz-Rot-Grün aus Sachsen-Anhalt. Zudem wird Grün-Rot in Baden-Württemberg ersetzt durch Grün-Schwarz, was eine ganz neue Komponente ins Bundesratsbild bringt. Die neuen Regierungen liegen allesamt quer zum alten Lagerbild.

Das alte Muster: A und B

Fraktionen kennt die Länderkammer bekanntlich nicht, aber man organisiert sich aus alter Gewohnheit in A und B. A sind die Länder mit SPD-Chefs, B die mit Unions-Häuptlingen. Mit A und B werden auch die Koordinierungsrunden betitelt, welche sich bemühen, zu jeder Sitzung einigermaßen Ordnung in die Ländervielfalt zu bekommen. Sie tagen an den Donnerstagabenden vor den Bundesratssitzungen, wichtige Bundespolitiker sind stets dabei. Winfried Kretschmann passt in den A-B-Rahmen natürlich nicht hinein, Bodo Ramelow geht es auch so. In Baden-Württemberg hatte man das Problem, eine Art grün geführtes A-Land zu sein, zuletzt dadurch gelöst, dass der Bundesratsbevollmächtigte Peter Friedrich von der SPD kam (also von den anderen A-Hörnchen gelitten wurde).

Nun aber liegt die mutmaßlich bald in Stuttgart regierende Koalition quer zur Systematik. Man darf gespannt sein, wie man das löst. Die klassischen großen Koalitionen haben sich bisher einfach auf die beiden entscheidenden Koordinierungsrunden verteilt und überall mitgeredet. Die neue Groko-Form in Stuttgart aber, die grün-schwarze, ist die nun A oder B? Oder muss jetzt doch die G-Länder- Runde der Grünen, bisher im Schatten von A und B, als echte, gleichwertige Instanz des Berliner Politikbetriebs betrachten werden? Was zur Frage führt, da ja manche die Neugeburt der FDP erkennen: Was wäre, wenn die Freien Demokraten demnächst tatsächlich mal wieder in mehreren Landesregierungen säßen? Und wie ist es mit den Linken? Man erkennt an diesen Fragen, wie das alte Organisationsmodell der Republik, das alte A-B-Konstrukt, zerbröselt.

Was das alles für die Mehrheitsfindung in der Länderkammer konkret bedeutet, bleibt abzuwarten. Eine irgendwie geartete Mehrheit gibt es in der Länderkammer nicht mehr. Es wird noch ein bisschen komplexer werden, es braucht noch mehr Koordinierung, der Berliner Betrieb wird noch stärker auf Konsens angelegt werden müssen, als es ohnehin schon der Fall ist. Im Vielparteiensystem ist Politik eine noch höhere Kunst, Pragmatiker sind eher gefragt als Konfrontationsexperten. Immerhin ist unwahrscheinlich, dass der SSW bundesweit antritt.

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