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Politik: Neue Kämpfe im Westen Afghanistans

Warlords wollen vor der Wahl ihre Macht sichern

Bei Zusammenstößen rivalisierender Milizen sind in der westafghanischen Provinz Herat am Wochenende mindestens 22 Menschen getötet worden. Bei den Kämpfen geht es um ungeklärte Gebietsansprüche im Osten der Provinz. Auf die umstrittenen Territorien erheben gleich zwei Warlords Anspruch, die von der Zentralregierung von Hamid Karsai in Kabul nur sehr bedingt kontrolliert werden: Ismail Khan und dessen Rivale Amanullah.

Khan ist Gouverneur von Herat und Oberhaupt einer schiitischen Minderheit der Tadschiken, Afghanistans zweitgrößter Volksgruppe. Amanullah ist der Vormann der ethnischen Paschtunen, die im Osten der Provinz rund um die Stadt Shindand siedeln. Ein Sprecher Amanullahs sprach der Nachrichtenagentur Reuters zufolge von „Nahkämpfen Mann gegen Mann“ und sagte, seine Milizen hätten Khan eine noch von den Sowjets gebaute Truppenbasis abgenommen und über 20 Gefangene gemacht.

Der Nationale Sicherheitsrat in Kabul beschloss am Wochenende die Entsendung von Truppen ins Krisengebiet. Bei Unruhen in verschiedenen Landesteilen sind rund drei Viertel der neuen afghanischen Armee gebunden, die eigentlich die Anti-Terror-Koalition bei der Jagd nach Al-Qaida- und Taliban-Kämpfern entlasten sollte. Das im April 2003 beschlossene Programm zur Entwaffnung der Milizen, mit dem über 100 000 Kämpfer umgeschult oder in die Armee integriert werden sollten, blieb in Anfängen stecken. Die Warlords leisteten massiven Widerstand gegen diese Pläne. Internationale Beobachter fürchten daher, die Warlords könnten die Ergebnisse der für den 9. Oktober geplanten Präsidentenwahlen notfalls mit Waffengewalt korrigieren.

Am Sonntag ging die Registrierung der Wähler zu Ende. Knapp zehn Millionen Stimmberechtigte ließen sich in die Wählerlisten eintragen. Sie haben die Wahl aus insgesamt 22 Kandidaten, darunter eine Frau. Die Mehrheit der Bewerber sind Unabhängige. Die meisten vertreten erzkonservative islamische Positionen, auch der einzige chancenreiche Herausforderer Karsais, der Schriftsteller Abdul Latif Pedran aus der Provinz Badachschan, der von der „Partei des nationalen afghanischen Kongresses“ nominiert wurde. Sie wie auch die anderen politischen Bewegungen sind noch weit von demokratischen Parteien nach westlichem Politikverständnis entfernt. Zudem bilden sie eher den politischen Arm von Privatarmeen der Warlords, deren Einfluss auf dem Land nach wie vor ungebrochen ist. Das gilt vor allem für die „Jumbesh islami“ von General Abdul Raschid Dostum, dem Führer der usbekischen Minderheit, und für die „Partei der Nationalen Bewegung“ von Erziehungsminister Mohammed Junus Qanuni. Dieser gehört zu den Granden der einstigen Nordallianz, die wesentlichen Anteil am Sturz der Taliban hatte und daher die Macht in Afghanistan beansprucht.

Da bisher keiner der Kandidaten, Karzai inklusive, überzeugende Mehrheiten auf sich vereinigen kann, könnten Skeptiker wie Altpräsident Burhanuddin Rabbani Recht behalten. Der hält Wahlen zum gegenwärtigen Zeitpunkt für verfrüht und fürchtet, sie könnten die Spaltung der afghanischen Gesellschaft weiter vorantreiben.

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