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Politik: Neue Nähe

Für US-Präsident Bush hat Deutschland Gewicht gewonnen – die Bundesregierung will das nutzen

Von Hans Monath

Als „faszinierende Person“ hat George W. Bush Angela Merkel bei ihrem jüngsten Besuch in Washington gewürdigt. Für den US-Präsidenten ist die Bundeskanzlerin zurzeit die wichtigste Verbündete in Europa. Der Brite Tony Blair und der Franzose Jacques Chirac kämpfen mit innenpolitischen Krisen, außenpolitisch wirkt Merkel im Vergleich dazu frisch und energisch. Außerdem ist sich die US-Regierung bewusst, dass Deutschland die stärkste Wirtschaftsmacht der EU ist, die drittgrößte weltweit. Und drittens übernimmt die Bundesregierung demnächst EU-Präsidentschaft und G-8-Vorsitz.

Bei den wichtigsten internationalen Themen wie dem Streit um Irans Atomprogramm oder der Zukunft der russischen Demokratie hat Deutschland Gewicht. Berlin spielt aus Sicht der USA eine Schlüsselrolle im Bemühen, Russland und China für Sanktionen gegen den Iran und Nordkorea zu gewinnen. Und auch bei Bushs Lieblingsthema „Freedom Agenda“ ist Angela Merkel vor allem eine Stütze. Sie lehnt zwar den Einsatz im Irak ab und kritisiert das Gefangenenlager Guantanamo ganz offen. Aber den Besuch in Stralsund wird Bush als Bestätigung inszenieren: Es ist möglich, Diktaturen zu stürzen und Demokratie aufzubauen – die früher kommunistischen Staaten Europas als Vorbild für Arabien.

Die deutsche Seite ist sich der Möglichkeiten und der Verantwortung, die in solchen Erwartungen liegen, durchaus bewusst. In den vergangenen Wochen konnte die Merkel-Regierung bereits eine Reihe von Wünschen durchsetzen. Das wichtigste Zugeständnis hat Bush in der Iran-Frage gemacht, die auch ein Top-Gesprächsthema in Stralsund sein wird: Die US-Regierung unterstützt nicht nur das zweite internationale Anreizpaket, das Teheran zum Verzicht auf nukleare Bewaffnung bewegen soll, sondern erklärte sich unter bestimmten Bedingungen auch zu direkten Verhandlungen mit dem Mullah-Regime bereit. Auch die Verlässlichkeit der internationalen Gemeinschaft und ihre Reaktion im Falle einer negativen Antwort aus dem Iran auf das Angebot dürfte ein Thema zwischen Merkel und Bush sein.

Ohnehin dürfte Bushs Angebot, Russland internationale Nukleargeschäfte zu erlauben, Moskau noch stärker in die Front gegen Teheran einbinden. Die versöhnlicheren Töne, die Bush vor dem G-8-Gipfel gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin angeschlagen hat, werden in Berlin mit Erleichterung registriert. Die harsche Kritik von US-Vizepräsident Dick Cheney an Putins Demokratieverständnis Anfang Mai ist noch allzu gut in Erinnerung. Damals wurde der Iranstreit auch zum Belastungstest für die Beziehungen zwischen dem Westen und Russland.

Zu den Streitthemen im deutsch-amerikanischen Verhältnis gehört das US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba, das die Bundesregierung geschlossen sehen will. Erst vor wenigen Wochen hatte das Oberste US-Gericht entschieden, dass die Verurteilungspraxis dort nicht rechtmäßig ist. CDU-Außenpolitiker fordern inzwischen, auch Deutschland solle Bush bei seinen Plänen helfen, das Lager langfristig aufzulösen.Außerdem erwartet Berlin, dass die US-Regierung den in Bremen aufgewachsenen türkischen Staatsbürger Murat Kurnaz freilässt. Es sei zu erwarten, „dass dieser Fall relativ bald gelöst wird“, hieß es in Regierungskreisen.

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