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Politik: Neue Wege der Militärgeschichte: Mehr als eine einfache Chronik der Schlachten

Was ein Krieg ist - darüber scheint im Prinzip weitgehend Einigkeit zu herrschen. Womit sich hingegen eine moderne Geschichtswissenschaft beschäftigt, die die verschiedenen Facetten von Krieg und Gewalt untersuchen will, ist indes nicht immer so ganz klar.

Was ein Krieg ist - darüber scheint im Prinzip weitgehend Einigkeit zu herrschen. Womit sich hingegen eine moderne Geschichtswissenschaft beschäftigt, die die verschiedenen Facetten von Krieg und Gewalt untersuchen will, ist indes nicht immer so ganz klar. "Was ist Militärgeschichte?" fragten sich deshalb auch 19 Historikerinnen und Historiker, deren Antworten in einem Sammelband zusammengefasst sind.

Seit einigen Jahren lässt sich so etwas wie eine "Renaissance der Militärgeschichte" ausmachen. Das frühere Desinteresse der Fachwissenschaft hat sich in das Gegenteil verkehrt: Seit Anfang der 90er Jahre haben Kriege und Soldaten das Interesse der Historiker in einem Maße auf sich gezogen, wie es vorher kaum denkbar gewesen wäre.

Gegenstand der Militärgeschichte ist längst nicht mehr nur der Krieg im Sinne einer "Operationsgeschichte". Dieser gilt längst als vielschichtiges Phänomen, das auch als Resultat der Wechselbeziehungen zwischen Politik, Militär, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur interpretiert wird. Zu den neuen Fragestellungen zählt dabei jene nach einer möglichen Geschichte der Gewalt. Mit ihr könnte beispielsweise untersucht werden, wie sich spezifische Gewaltpraktiken entwickelt haben und welche sozialen, kulturellen und ökonomischen Bedingungen ihre Reproduktion ermöglichen. Überfällig auch die Forderung, dass die Männerbastion Militärgeschichte nicht auf die Anregungen der Geschlechtergeschichte verzichten darf.

In theoretischer Hinsicht wird in diesem Band auch der Vorschlag gemacht, mittels neuerer kulturwissenschaftlicher Ansätze eine "Kulturgeschichte des Krieges" zu erschließen. Doch da die Kulturgeschichte selbst angesichts ihrer Vielfalt von Erkenntnisinteressen und Methoden bisher noch keine scharfen Konturen gewonnen hat, dürften solche Anregungen zunächst auf eine gewisse abwartende Haltung stoßen.

Insgesamt zeigt dieser Sammelband, wie sehr sich die Rolle der deutschen Historiker gewandelt hat: In der früheren "Kriegsgeschichte" (so der Terminus bis in die fünfziger Jahre) ging es stets um die Vermittlung von Kenntnissen über vergangene Kriegstheorie oder -ereignisse, also darum, künftige Kriege besser zu führen. Eine neue Generation von Historikerinnen und Historikern, die sich heute mit Fragen von Krieg und Gewalt beschäftigen, wollen hingegen zumeist zur Dekonstruktion jener Bedingungen beitragen, die Kriege möglich machen. "Auf diese Weise", so die Hoffnung der Herausgeber, "könnte zukünftig vielleicht eine Militärgeschichte entstehen, die einen Beitrag zur historischen Friedensforschung leistet - was in vielerlei Hinsicht viel wichtiger als die Frage der disziplinären Anerkennung der Militärhistorie innerhalb der Geschichtswissenschaft ist."

Tillmann Bendikowski

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