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Neuwahl-Urteil: Die Gegenstimme

Sieben der acht Verfassungsrichter in Karlsruhe haben sich für Neuwahlen ausgesprochen, einer war dagegen: Hans-Joachim Jentsch. Er sieht durch das Urteil den Bundespräsidenten und das Verfassungsgericht geschwächt.

Karlsruhe (25.08.2005, 12:00 Uhr) - Mit deutlichen Worten hat sich Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch gegen die Zulassung der Neuwahl durch das Bundesverfassungsgericht gewandt. Die Auffassung der Senatsmehrheit schwäche die Stellung des Bundestags, schrieb Jentsch in seiner abweichenden Meinung, mit der er gegen das Votum der Mehrheit des Zweiten Senats stimmte. Den Gründen, die Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bei der Stellung der Vertrauensfrage am 1. Juli vorgetragen habe, lasse sich die von ihm behauptete politische Handlungsunfähigkeit nicht entnehmen, sagte Jentsch bei der Urteilsverkündung am Donnerstag in Karlsruhe.

Jentsch warf seinen Senatskollegen vor, von der Grundsatzentscheidung des Gerichts von 1983 abzuweichen. Gestehe man dem Kanzler einen derart weiten Einschätzungsspielraum zu, dann komme dies einem parlamentarischen Selbstauflösungsrecht «sehr nahe», das im Grundgesetz nicht vorgesehen sei. Wenn allein die Beurteilung des Regierungschefs maßgeblich sei, dann entziehe dies dem Verfassungsgericht und dem Bundespräsidenten jegliche Beurteilungsgrundlage.

Nach den Worten des in Kürze ausscheidenden Richters hat die Bundesregierung in der zurückliegenden Legislaturperiode die Kanzlermehrheit nie verfehlt. Die Gesetzesentwürfe zur «Agenda 2010» seien erfolgreich gewesen. Dass es für die Fortführung dieser Reformprojekte an einer ausreichenden parlamentarischen Unterstützung fehle, entbehre daher einer nachvollziehbaren Tatsachengrundlage. (tso/dpa)

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