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Politik: „Nicht per Schlafwagen ins Kanzleramt“ CDU-Wahlkampfmanager Peter Radunski über Merkel, mitfühlende Reformen und Fleischerhunde

Vor fünf Jahren haben Sie einen Artikel über USWahlkampf geschrieben: was Angela Merkel von Hillary Clinton lernen kann. Was hat Frau Merkel gelernt?

Vor fünf Jahren haben Sie einen Artikel über USWahlkampf geschrieben: was Angela Merkel von Hillary Clinton lernen kann. Was hat Frau Merkel gelernt?

Früher ging es um Stil und Imagebildung – etwa die Frisur. Das ist heute erledigt. Jetzt geht es um das, was Angela Merkel am liebsten macht, nämlich politische Fragen zu behandeln.

Wird Frau Merkel anders wahrgenommen als ein männlicher Kanzlerkandidat?

Ja, das ist so. Es ist eine Ungerechtigkeit, dass eine Frau ihr öffentliches Auftreten offenbar auch mit einem bestimmten persönlichen Charme versehen muss. Das wird von einem Mann nicht erwartet.

Ist sie charmant?

Sie hat im Moment, auch mit der neuen Kraft, die ihr zugewachsen ist, eine fantastische Ausstrahlung.

Sind wir schon reif für eine Kanzlerin?

In Umfragen sagen 70 Prozent der Deutschen, dass sie sich eine Kanzlerin vorstellen könnten. Die Antworten sind zum Teil politisch korrekt. Eine Reihe von Leuten haben mit einer Frau Probleme. Ein richtiger Konservativer kann sich nur schwer vorstellen, dass eine Frau vor einer Militärformation entlangschreitet.

Was kann der Mann Schröder in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit der Frau Merkel falsch machen? Und umgekehrt?

Auf Schröder lauert die größere Gefahr. Man hat schon bei Bundestagsdebatten erlebt, wie Fischer und Schröder sich chauvinistisch angrinsen. Das ist eigentlich unter ihrem Niveau. Schröder läuft Gefahr, dass er arroganter wirkt als er ist. Merkel wird die ganz direkte persönliche Auseinandersetzung nicht suchen. Sie wird sich ganz auf ihre konkrete Argumentation konzentrieren. Damit ist sie bisher sehr gut angekommen.

Was ist Angela Merkels größte Stärke?

Ihre Konsequenz.

Was ist Gerhard Schröders größte Stärke?

Dass er präsent ist. Seine öffentliche Darstellung.

Merkels größte Schwäche?

Sie ist den Wählern noch nicht so vertraut. Im Wahlkampf muss sie aufholen.

Und Schröders größte Schwäche?

Dass er diese Neuwahl macht.

Er hätte weitermachen sollen?

Selbstverständlich.

Was hätte das gebracht?

Vielleicht eine bessere politische Konstellation für einen Wahlkampf 2006. Es ist immer schlecht, aufzugeben. Das wird ein Thema im Wahlkampf werden: Schröder wirft den Krempel hin. Diese Strategie ist in der Enge des Kanzleramts entwickelt worden. Und jetzt dieser plötzliche Splitt zwischen SPD und Grünen. Als hätten sich beide Parteien nie gemocht.

Ist die Wahl für die CDU schon gewonnen?

Eine Wechselstimmung ist bei den Wählern klar vorhanden. Wenn nächste Woche Wahlen wären, würde ich wetten, dass die CDU gewinnt. Im September kann das aber anders aussehen. Es gibt viele Unsicherheiten: Wie viele Parteien ziehen in den Bundestag ein? Wie werden sich die unglaublich wechselbereiten Wähler in den neuen Ländern verhalten? Wir wissen nicht, ob nicht ein neues Thema innerhalb kürzester Zeit Konjunktur bekommt, wie 2002 die Flut und der Irakkrieg. Deswegen sollte die CDU nicht schon vorher Ämter verteilen oder Siegessekt trinken.

Lässt sich Wechselstimmung durch Wahlkampf befördern?

Sie lässt sich befördern, erklären und vertiefen, indem sie zeigt, was sich verändert unter einer Kanzlerin Merkel. Fast schon ein Lackmus-Test ist da die Frage, wie die CDU das Thema Mehrwertsteuer behandelt.

Sie fordern ehrliche, konkrete Ansagen.

Absolut. Der Wechsel muss rational unterlegt werden. Erst kommen die Maßnahmen und dann das Vertrauen. Nicht umgekehrt. Die CDU kann schwere Fehler machen, wenn sie glaubt, den nordrhein-westfälischen Wahlkampf kopieren zu können. Merkel darf die Ernsthaftigkeit, die sie gewonnen hat, nicht durch sachliche Vernebelung schwächen. Spätestens nach der Bundestagswahl würde sich das rächen. Dann ginge der Teufelskreis los, den die SPD erlebt hat: Bundestagswahl gewonnen, eine Landtagswahl nach der anderen verloren.

Die Union muss also…

…angreifen. Die Union wäre verrückt, wenn sie nicht auf die Wachstumskrise, die Arbeitslosigkeit und die Schuldenkrise hinweisen würde. Aber dann muss sie sagen, das etwas kommen wird, wogegen die Agenda 2010 klein wirkt. Die Wähler dürfen sich ruhig aufregen und einen kleinen Schreck bekommen. Sich im Schlafwagen ins Kanzleramt schleichen zu wollen, das funktioniert nicht.

Sind die Bürger so einsichtsfähig, dass sie eine neue Regierung wählen, die ihnen vielleicht noch mehr Opfer abverlangt?

Ich habe mir im Laufe vieler Wahlkämpfe angewöhnt, die Menschen ernst zu nehmen. Die Wähler verstehen vielleicht nicht jedes Detail der Politik, aber die Gesamtsituation können sie meistens gut einschätzen.

Angela Merkel soll also Härte zeigen – und nicht herzlich sein.

Die Herzlichkeit muss nicht darunter leiden, wenn harte Maßnahmen ergriffen werden. Man muss nur sagen, wofür man etwas macht: damit die Menschen wieder Hoffnung schöpfen. Es ist schon ein Unterschied, ob jemand wie Friedrich Merz mit dem Gemüt eines Fleischerhundes einschneidende Maßnahmen ankündigt oder ob den Bürgern klar gemacht wird, dass ihre Existenz neu gesichert werden soll. Es gibt eine mitfühlende Art, Reformen zu machen. Sie müssen den Menschen erklärt werden. Das ist in den vergangenen Jahren nicht passiert.

Sie glauben nicht, dass Rot-Grün Ängste wecken kann, nach dem Motto: Da kommt die kalte, schwarze Republik?

Wer hat denn davor Angst? Wir haben seit 1998 keine rot-grüne Republik gehabt und werden jetzt keine schwarze Republik bekommen. Solche Klischees interessieren die unter 50-Jährigen nicht mehr.

Wie wichtig ist das Wahlkampfteam?

Es wird bei der Konfrontation Schröder gegen Merkel bleiben. Aus einem einfachen Grund: Schröder hat kein Team mehr und Merkel hat zu viele Mitkämpfer. Außerdem ist der Wahlkampf so kurz, dass es gar nicht gelingen wird, ein echtes Team zu etablieren.

Nutzt es Frau Merkel, dass es ein Duell gibt und nicht Schröder/Fischer gegen Merkel/Westerwelle?

Ja sicher. Bei diesem Doppel hätte es zwangsläufig die Assoziation der Leichtmatrosen gegeben. Für Merkel ist diese Konstellation die beste. Sie wird ernst genommen. Sie ist. Punkt. Das ist ein Vorteil.

Wird sie bei den Wählerinnen abräumen können?

Bei den letzten Bundestagswahlen hat die SPD bei den Frauen stark gewonnen. Ich nehme an, dass Merkel diese Scharte wettmacht. Es gibt eine ganze Reihe von Frauen, die es richtig finden, dass endlich eine Frau das Kanzleramt übernimmt.

Sollte Merkel ihre ostdeutsche Biographie in den Wahlkampf einbringen?

Ihre Ostbiographie muss Merkel nicht leugnen, sie sollte ihre persönlichen Erfahrungen mitteilen. Mir gefällt am besten ihr Satz, dass sie überrascht gewesen sei, wie sozialistisch der Westen ist. Aber sie darf nicht übertreiben. Ich würde auf keinen Fall damit werben: Das ist eine von euch, die müsst ihr unterstützen.

Mobilisiert der ungewöhnliche Abgang der Bundesregierung, zur Wahl zu gehen?

Ich frage mich, ob die Leute von Neuwahlen wirklich so elektrisiert sind oder eher sagen: auch das noch! Eigentlich müsste ja eine Neuwahl unter so dramatischen Akzenten bei politisch denkenden Menschen eine enorme Wahlbereitschaft auslösen. Ich lerne aber, dass der Abstand zwischen der Politik und der Bevölkerung immer größer wird. Dann könnten die Parteien plötzlich vor einem Mobilisierungsproblem stehen.

Wen müssen die großen Volksparteien denn mobilisieren: erst die eigenen Leute oder die Mitte der Gesellschaft?

Wichtig ist, dass die eigenen Leute mitspielen. Die Mobilisierung geht von innen nach außen.

Sie haben neulich ein Plakat entworfen: Ein Merkel-Foto und der Spruch: Echte Männer braucht das Land. Nur ein Gag?

In diesem Wahlkampf braucht es auch lockere, leichte Elemente. Es gab mal eine wunderbare Werbung für einen Autovermieter: Merkel mit Sturmfrisur. Das war hübsch. Merkel muss zwar ernst sein, aber nicht zu krampfig. Ein bisschen Augenzwinkern wäre nicht schlecht.

Das Interview führten Cordula Eubel, Gerd Nowakowski und Ulrich Zawatka- Gerlach. Das Foto machte Kai-Uwe Heinrich.

STRASSENKÄMPFER

Schon in den sechziger Jahren hat Peter Radunski der CDU den Straßenwahlkampf beigebracht. Seitdem gab es kaum eine Wahl, die er nicht mitorganisierte.

POLITIKER

Zuerst war er Bundesgeschäftsführer der Union, nach dem Mauerfall Senator für Bundesangelegenheiten in Berlin und 1999 hat er seine politische Karriere als Kultur- senator beendet.

BERATER

Er redet gern. Er berät gern. Inzwischen auch Politiker in Osteuropa. Jetzt ist Radunski „Senior Consult“ beim europäischen Werbeagentur-Netzwerk Publicis.

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