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Politik: Nichts geht mehr: Generalstreik legt Italien lahm

Gewerkschaft: Eine Million Italiener demonstrierten gegen Berlusconi

Rom. Wer Freitag morgen mit dem PKW in die römische Innenstadt fahren wollte, der blieb im Stauchaos stecken. Jeder, der seinen Arbeitsplatz erreichen wollte, musste seinen eigenen Wagen nehmen. Nicht ein einziges öffentliches Nahverkehrsmittel fuhr. Die gleiche Situation gab es auch in Mailand und Neapel und allen anderen großen Städten. Italiens größter Gewerkschaftsverband CGIL hatte zu einem achtstündigen Generalstreik aufgerufen. Das bedeutete, dass nicht nur U-Bahnen, Busse und Trams nicht fuhren. Auch die Schiffsverbindungen zwischen den Inseln und dem Festland fielen aus, und Alitalia musste zahllose Flüge streichen. Allein in Rom und Mailand blieben rund 35 000 Fluggäste am Boden.

Sämtliche Postämter blieben geschlossen, und die meisten Schüler konnten zu Hause bleiben, da auch ihre Lehrer der CGIL angehören. Acht Stunden Generalstreik in vielen wichtigen Bereichen der Gesellschaft legten Italien im wahrsten Sinne des Wortes lahm.

Der neue Chef der CGIL, Guglielmo Epifani, setzt den Kurs seines Vorgängers Sergio Cofferati fort und versucht mit Streiks, die Regierung in die Knie zu zwingen. Es geht um die Wirtschaftspolitik von Silvio Berlusconi. Sie wird von Epifani als „katastrophal für unser Land“ verworfen. Die im neuen Haushaltsgesetz 2003 beschlossenen Investitionsrückgänge für den Süden und für bestimmte Industriebereiche würden, meint Epifani, „die bestehende Krise verschlimmern und in den nächsten Jahren zu Entlassungen führen“. Befürchtet wird, so Epifani, dass die “neoliberalistische Politik Berlusconis ungefähr 300 000 Entlassungen provozieren wird“. Besonders schwer betroffenen sei das sozial wie wirtschaftlich unterentwickelte Süditalien. Die Regierung plane so gut wie keine Investitionsbeihilfen für diese Regionen.

Die CGIL will es aber nicht nur bei einem Generalstreik belassen. In den nächsten Monaten sollen weitere Streiks folgen. Epifani appellierte deshalb bei einer Großkundgebung am Freitag in Rom an alle Italiener, die Gründe für diese Streiks zu verstehen. „Es geht um unsere Arbeitsplätze“, so der Gewerkschaftsführer, „und um eine Politik, der dies egal ist“. In rund 120 Städten kam es zu Kundgebungen. Es war nicht die erste Großdemonstration gegen die Regierung. Erst vor wenigen Wochen hatten Künstler und Intellektuelle um den Regisseur Nanni Moretti Tausende Demonstranten mobilisiert. Vorsichtigen Schätzungen der CGIL zufolge gingen dieses Mal rund eine Million Menschen gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung auf die Straße. Silvio Berlusconi und sein Wirtschaftsminister äußerten sich nicht zu dem Generalstreik.

Thomas Migge

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