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Politik: Nichts zu verleihen

Schröder sieht Rot-Grün auf Erfolgskurs. Aber eine Zweitstimmen-Kampagne für den Partner ist nicht geplant

Von Robert Birnbaum

und Hans Monath

Der Berliner U-Bahn-Nutzer bekommt es gleich am Montagmorgen schriftlich: „Gerhard Schröder ist der bessere Kanzler!“ Die Handzettel-Aktion der SPD-Wahlkampfplaner ist Teil einer Großoperation aller Parteien, die nur ein Ziel kennt: Die Deutungshoheit über das zweite und letzte der TV-Duelle zwischen Kanzler und Kandidat zu bekommen. Für die SPD ist das diesmal einfach. Schröder ist – sehr anders als beim ersten Mal – mit sich selbst zufrieden, seine SPD ist es auch, weshalb der Chef in der Präsidiumssitzung mit Beifall empfangen wird.

Vor allem aber liefern die Umfragen nach der nächtlichen Fernsehschlacht Bestätigung. Sowohl die Forschungsgruppe Wahlen, vom ZDF beauftragt, als auch Infratest dimap im Auftrag der ARD ermittelten für Schröder ein insgesamt günstigeres Urteil: sympathischer, kompetenter, überzeugender, glaubwürdiger als der Herausforderer sei er gewesen, bescheinigt eine Mehrheit der Befragten dem Amtsinhaber. Schröder nutzt das zu einer Variante des Mottos „Er oder ich“. Diesmal lautet die Frage, die sich die Wähler aus der Sicht des Kanzler stellen sollten: „Wer bringt uns durch die Krise?“

Stoiber und die Seinen, nach dem ersten Duell noch siegesfreudig, haben es hingegen diesmal schwerer. Am Tag danach sind ganze Scharen von Interpreten unterwegs, die den Kandidaten wenigstens zum heimlichen Sieger zu erklären suchen. Die Argumentation: Weil Stoiber in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik die besseren Argumente habe, sei er sowieso der Sieger. Der Chef selbst sieht das natürlich auch so. Er sei „sehr zufrieden damit, dass es mir gelungen ist, die entscheidende Frage, nämlich die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik, in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung zu rücken“, sagt Stoiber und nennt sich selbst schon mal den „noch nicht Regierenden“. Tatsächlich sind die Felder Arbeitsmarkt und Steuern die einzigen, auf denen die Demoskopen in der Duell-Nachforschung für Stoiber einen Kompetenz-Vorsprung messen. Folgerichtig erklärt auch CDU-Chefin Merkel alle anderen Aspekte für bedeutungslos: Die Arbeitslosigkeit sei die Frage, „die die Menschen am meisten interessiert“. Zuspitzen wolle man den Kampf um diese Themen – am Freitag im Bundestag hat Stoiber in der Haushaltsdebatte neue Gelegenheit.

Eine Zahl der Infratest-Forscher freilich hat bei der Union keine Freude ausgelöst. Schröder machte danach bei gut doppelt so vielen unentschlossenen Wählern mehr Eindruck als Stoiber. Diese Unentschlossenen könnten die Wahl entscheiden. Sie – und die Wähler der kleinen Parteien. Stoiber hat darauf hingewiesen, dass die vom FDP-Parteitag verabschiedeten Koalitionsprüfsteine „außerordentliche Gemeinsamkeiten“ mit den Vorstellungen der Union hätten.

Schröder sagte: „Die Grünen sind wirklich im Aufwind.“ Dass die Öko-Partei von den meisten Umfrage-Instituten mit der FDP in etwa gleichauf bewertet wird, dass die Werte für die Freidemokraten selbst beim einzig abweichenden Institut Allensbach sinken, lässt eine Fortsetzung des rot-grünen Bündnisses nicht mehr völlig illusorisch erscheinen. So weit, dass daraus eine Leihstimmen-Kampagne der SPD für den kleinen Partner werden könnte, soll die neu erwachte Liebe nicht gehen: Daran, wird in Schröders Umkreis versichert, sei nicht gedacht. Und eine Art Leih-Kampagne ist schon geplant, zu beider Nutzen. Wenn am Sonntag Schröder mit Fischer am Brandenburger Tor auftritt, dann hofft der Kanzler mindestens so viel von der Popularität seines Außenministers zu profitieren wie umgekehrt.

Die Grünen selbst kündigten eine massive Zweitstimmen-Kampagne an. Man setze alles daran, dritte Kraft vor der FDP zu werden, sagte Parteichef Fritz Kuhn. Tenor sei: „Zweitstimme ist Joschka-Stimme.“ Den Wählern müsse klar sein, dass es den Außenminister Joschka Fischer nur dann weiter geben werde, wenn die Grünen stark würden.

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