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Strebt eine gewichtigere Rolle Deutschlands in der UN an: Außenminister Guido Westerwelle (FDP).

© dpa

Nichtständiger Sitz: Deutschland braucht Zweidrittelmehrheit der UN

In den kommenden zwei Jahren will Deutschland im UN-Sicherheitsrat mitreden und entscheiden. Mit diesem Wunsch ist es allerdings nicht allein.

Ein Möbelstück symbolisiert die Macht. Der hufeisenförmige Tisch im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York ist der Ort, an dem die Mitglieder des Weltsicherheitsrates ihre Entscheidungen treffen. Über Krieg und Frieden, Sanktionen und Blauhelme. Deutschland will sich einen Sitz an diesem Tisch sichern. Berlin bewirbt sich als nichtständiges Mitglied für 2011 und 2012. Die UN-Vollversammlung stimmt am heutigen Dienstag über die Kandidatur ab. Fünf Länder werden neu gewählt, davon zwei westliche. Allerdings sind dafür neben Deutschland noch Kanada und Portugal im Rennen. Um zu gewinnen, braucht Deutschland eine Zweidrittelmehrheit unter den 192 in der Vollversammlung vertretenen Ländern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht enorme Chancen durch einen Sitz in dem prestigeträchtigen Gremium. Deutschland wäre dann eines von zehn nichtständigen Mitgliedern im Zentrum der Weltpolitik. Nicht zuletzt wegen der deutschen Finanzkraft dürfte Berlins Wort im Rat Gewicht haben; die Bundesrepublik steht an dritter Stelle der UN-Geldgeber. Die Kurzmitgliedschaft würde die deutschen Steuerzahler wohl auch keine großen Summen kosten. Allerdings werden die eigentliche Macht weiterhin die fünf ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien in den Händen halten.

Berlin kündigte bereits an, eigene Ideen in den UN-Führungszirkel einzubringen. So will man die Abrüstung voranbringen und den Atomstreit mit den Iranern anpacken. Der Sicherheitsrat verhängte bereits vier Sanktionsrunden gegen Teheran. Schon bei dieser Strafzuweisung engagierte sich Deutschland an der Seite der ständigen Mitglieder. Ein Blick zurück zeigt ebenfalls, dass sich mit Engagement in der Diplomatie einiges erreichen lässt. Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) erinnert an die Rolle Deutschlands im Prozess der Unabhängigkeit Namibias. Und er erwähnt den deutschen Beitrag bei der Beendigung des Kriegs zwischen Irak und Iran.

Doch als zeitlich befristeter Angehöriger des Sicherheitsrates müsste Deutschland ständig auf den Kalender blicken. Nach zwei Jahren scheidet man aus dem Klub der Mächtigen wieder aus. Vor dem Hintergrund der zähen Abläufe der Weltpolitik vergehen 24 Monate nur allzu rasch. „Wenn nichtständige Mitglieder mit eigenen Initiativen in Erinnerung bleiben wollen, stehen sie enorm unter Zeitdruck“, erläutert ein Diplomat. Auch bei der Lösung vieler Konflikte können sie sich nur kurz einbringen. Beispiel Afghanistan. Nach den Anschlägen auf die USA 2001 segnete der Sicherheitsrat den Sturz des Taliban-Regimes ab. Aber noch heute kämpfen westliche Truppen gegen die Fanatiker am Hindukusch. Oder Irak. Als Deutschland 2003 das letzte Mal im Sicherheitsrat saß, drängten die USA vergeblich auf ein UN-Mandat zur Invasion des Zweistromlandes. Noch heute herrschen Gewalt und Angst im Irak.

Vor allem aber verhindert das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder eine gewichtige Rolle der vorübergehenden Mitglieder. Amerikaner, Russen, Chinesen, Franzosen und Briten können jeden Beschluss des Rates kippen. „Die Machtverteilung im Rat von heute spiegelt noch immer die politische Machtverteilung von 1945 wider“, klagt der frühere UN- Generalsekretär Kofi Annan. Die meisten Politikexperten sind sich einig: Auch wenn UN-Mitglieder wie Indien, Brasilien, Japan und Deutschland laut eine Reform fordern, wird das Kartell der Vetomächte noch auf Jahre einen Umbau des Sicherheitsrates blockieren. Denn die fünf müssten eine Änderung der UN-Charta ratifizieren.

Vor allem das mächtigste Vetoland, die USA, will von einer Modernisierung des Rates nichts wissen. Als US-Präsident Barack Obama im September seine Rede vor der UN-Vollversammlung hielt, kam kein Satz zu einer Reform über seine Lippen. Allenfalls können sich die Amerikaner vorstellen, Japan als ständiges Mitglied zu akzeptieren. Aber ohne Vetorecht. Auch die Chinesen, die immer stärker ihre Macht demonstrieren, können mit dem Status quo gut leben. „Würde China es begrüßen, wenn man Indien oder sogar Japan das Veto geben würde?“, fragt der britische Politikwissenschaftler Paul Kennedy. Die Antwort lautet: nein.

Trotz der Widerstände halten Inder, Japaner, Brasilianer und auch die Deutschen an ihrem Ziel fest, dass der Rat modernisiert werden soll. Zunächst soll die Zahl der Sitze aufgestockt werden. Berlin will als nichtständiges Mitglied des Rates die Debatte vorantreiben. Ein Resultat könnte Ende 2012 vorliegen.

Jan Dirk Herbermann

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