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Politik: Nichtwähler in der Mehrheit

Geringe Beteiligung bei EU-Wahl in Bulgarien

Sofia - Nach der Wahlpleite gelobt der Premier eilig baldige Besserung. Es sei „klar“, dass die Bulgaren nach dem EU-Beitritt ein noch stärkeres Wachstum und höhere Löhne erwartet hätten, sagte der sozialistische Regierungschef Sergej Stanischew mit Blick auf das „unerfreuliche“ Ergebnis der Europawahlen: „Die Bürger können sicher sein, dass wir die Zeichen lesen, die sie uns geben: Wir werden das Wahlergebnis gründlich analysieren – und Maßnahmen ergreifen.“

Zur Sorge hat der Chef der Dreiparteien-Koalition der sozialistischen BSP mit der Partei der türkischen Minderheit (DPS) und der liberalen NDSW von Ex-König Simeon allen Grund. Hatten die drei Parteien bei der Parlamentswahl vor zwei Jahren noch fast zwei Drittel der Stimmen auf sich vereint, ist ihr gemeinsamer Stimmenanteil bei den ersten Europawahlen des Landes auf unter die Hälfte gesackt: Vor allem die BSP (21,41 Prozent) und NDSW (6,26 Prozent) erlitten empfindliche Verluste. Noch besser als erwartet schnitt hingegen die neue Rechtspartei GERB von Sofias Bürgermeister Bojko Borrisov ab: Mit 21,69 Prozent wurde sie zur stärksten Kraft. Eindeutig in der Mehrheit waren die Nichtwähler: Fast drei Viertel der Wah lberechtigten blieben den Urnen am Sonntag fern.

Antoniy Galabov, Soziologie-Professor an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften, macht sich vor allem wegen des Inhalts des Wahlkampfs Sorgen. Für die Parteien sei der Stimmenstreit nur ein Stimmungstest gewesen: „Sie sahen die Wahl eher als interne denn als europäische Angelegenheit. Und bei den Wählern war das Wissen über die EU ohnehin gering.“

Zu Jahresbeginn hat Bulgarien die ersehnte EU-Mitgliedschaft erlangt. Zwar weist das Land Wachstumsraten von über sechs Prozent auf. Aber bislang sieht sich der ärmste Bruder in Europas Wohlstandsbündnis vor allem mit harscher Kritik an verschleppten Reformen und der laschen Bekämpfung des organisierten Verbrechens konfrontiert. Bulgariens „Krododilsumpf“ lässt westliche Politiker bereits öffentlich über die „zu schnelle“ Aufnahme des Landes lamentieren. In Bulgarien selbst ist die Zustimmung zur EU laut Umfragen mit 73 Prozent unverändert hoch.

Thomas Roser

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