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Niederlande: Rechtspopulist in Not

Vor der Wahl in den Niederlanden verliert Geert Wilders Zustimmung – weil die Krise nicht sein Thema ist. Der Stopp der Einwanderung ist sein einziges Argument.

Geert Wilders strahlt. Gerade hat ihm eine Blumenhändlerin auf dem Markt von Zwolle, einem nordholländischen Städtchen, einen Blumenstrauß geschenkt und sich mit ihm fotografieren lassen. So liebt der niederländische Rechtspopulist seinen Wahlkampf. Im Endspurt des Wahlkampfs vor den Parlamentswahlen am Mittwoch pflegt er das Image des bürgernahen Saubermanns. Seine Freiheitspartei PVV wird in den Umfragen zurzeit als viertstärkste Kraft gehandelt. Das will Wilders noch verbessern – mit seinen plumpen und ausländerfeindlichen Forderungen nach einem sofortigen Einwanderungsstopp, einem Verbot von Moscheen und der Burka sowie dem Ruf nach einer Stärkung der niederländischen Identität.

„Geert Wilders zeichnet ein schwarz-weißes Weltbild. Er beschwört einen internationalen Krieg zwischen dem Islam und dem Christentum herauf. Das kommt in diesen unsicheren Zeiten bei den Wählern gut an“, sagt der Politikwissenschaftler André Krouwel von der Freien Universität Amsterdam. Die Einwanderer würden für alle Probleme in der niederländischen Gesellschaft pauschal verantwortlich gemacht. In der Bevölkerung kommt das gut an: „Er hat recht, wenn er sagt, dass sich die Einwanderer hier an unsere Kultur anpassen müssen. Und es kann nicht sein, dass sie von unserem Sozialsystem profitieren, für das ich bezahlen muss“, sagt eine Blumenhändlerin. Ihren Namen will sie lieber nicht nennen. Sie hat Angst, Kunden zu vergraulen, wenn sie öffentlich zugibt, dass sie für Wilders stimmen will.

Schließlich gilt der Vorsitzende der PVV nicht nur als braver Schwiegersohn, sondern auch als fremdenfeindlicher Islamhasser. Sein Film „Fitna“ hat vor zwei Jahren für scharfe Proteste in der islamischen Welt gesorgt. Wilders hatte darin den Islam zu einer kriegstreibenden, menschenverachtenden Religion stilisiert.

In einer Gesellschaft, in der die Angst vor dem Islam immer größer wird, haben solche einfachen Erklärungsmuster Erfolg, sagt André Krouwel. „Wilders verkauft sich als der einzige Politiker, der die Bürger versteht. Er inszeniert sich als den Gegenpol zu der traditionellen, politischen Elite. Dabei kommt er selbst dorther“, sagt der Politikwissenschaftler.

Wilders war, bevor er 2004 seine eigene Partei gegründet hat, lange Jahre Abgeordneter der rechtsliberalen VVD gewesen. Und genau die hat ihm in den vergangenen Wochen den Rang abgelaufen. Die VVD liegt in den Umfragen weit vorn und ihr Spitzenkandidat Mark Rutte wird bereits als zukünftiger Premier der Niederlande gehandelt. Er war in den vergangenen Jahren nicht an der Regierungskoalition in Den Haag beteiligt und wird von den Wählern deshalb nicht für die Krise mitverantwortlich gemacht.

„Die Wirtschaftskrise tut Geert Wilders nicht gut“, sagt André Krouwel. „Das ist nicht sein Gebiet. Da hat er keine klare Botschaft. Und jetzt ist den Menschen die Krise plötzlich wichtiger als die Fragen der Identität und der Einwanderung. Deshalb hat Wilders in den Umfragen verloren.“

Die Arbeitslosigkeit ist mit 6,5 Prozent in den Niederlanden zwar immer noch niedriger als in vielen anderen europäischen Ländern, und auch der Schuldenberg ist in Holland nicht so groß wie bei den Nachbarn, aber auch im Polderland muss in den kommenden Jahren gespart werden. „Das haben alle nicht-radikalen Parteien verstanden. Jetzt müssen die Wähler entscheiden, wie die Sparmaßnahmen im Detail aussehen sollen“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Eric Bartelsman. Während die konservativen Parteien, also die Christdemokraten und die VVD, vor allem beim Sozialsystem sparen und zum Beispiel die Arbeitslosenhilfe kürzen wollen, schlagen die Sozialdemokraten die Einführung einer Vermögenssteuer vor. Alle Parteien sind sich darin einig, dass das Rentenalter auf 67 Jahre angehoben werden soll. Ende der vergangenen Woche haben dem auch die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände zugestimmt. Sie schlagen vor, die Arbeitszeit bis 2020 auf 66 und 2025 auf 67 Jahre anzuheben.

Geert Wilders will von alledem nichts wissen. Er hat errechnen lassen, dass die nicht-westlichen Einwanderer den niederländischen Steuerzahler über sieben Milliarden Euro im Jahr kosten; zum Beispiel an Arbeitslosenunterstützung. Deshalb ist für Wilders der Stopp der Einwanderung auch die einzige Waffe im Kampf gegen die Krise. Nach jetzigem Stand wird das nicht ausreichen, um bei der Wahl ganz nach oben zu kommen. Wilders werden derzeit kaum noch Chancen auf den Premierministerposten eingeräumt, aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass der Rechtspopulist an der nächsten Regierungskoalition in Den Haag beteiligt sein wird.

Ruth Reichstein

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