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Politik: Noch ein Verdacht

Von Stephan-Andreas Casdorff

Viel ist gerade von Hysterie die Rede, von Terrorhysterie. Sie wird Innenminister Wolfgang Schäuble vorgeworfen. Hysterisch sind aber vor allem die Reaktionen auf ihn. Da hat er recht. Und wider besseres Wissen reißen sie nicht ab, auch nicht beim Koalitionspartner SPD. Der folgt weniger einem sachlichen als einem oppositionellen Impuls. Hier wird wohl ein Thema für den Bruch des Regierungsbündnisses aufbereitet.

Klaus Uwe Benneter ist einer der Sozialdemokraten, die gerade Indizien beibringen. Er weiß, wie Opposition geht, draußen und drinnen, im Parlament. Inzwischen ist Benni Bürgerschreck, wie Benneter einst hieß, einer der Honoratioren der SPD-Bundestagsfraktion: ihr Justiziar. Das ist ein feines Amt. Und als Justiziar wirft er dem Innenminister quasi autoritativ nun alles Mögliche vor: ein „rechtskonservatives Staatsverständnis“, das bewusste Schüren von Angst, das Bedienen des rechten Randes, das Nachlegen von „Messern“.

Schäuble als Popanz? Angriffe dieser Art sind Gratismut. Als Otto Schily noch Innenminister war und mit seinen Otto-Katalogen die Partei erschreckte, galt dennoch in der SPD kadergleiche Unterstützung. Und Schily als der Zimmermann der modernen Sicherheit, dazu als Hüter des rechten Flügels. Heute dagegen soll nur schon die Überlegung, ob alles getan ist, was die Sicherheitsbedürfnisse betrifft, des Teufels sein.

Schäuble zu dämonisieren heißt, das Nachdenken nach 9/11 zu trivialisieren. Die jüngsten Terrorwarnungen der USA gehen bestimmt nicht auf einen Aufruf des deutschen Ministers zurück. Tatsache ist: Unsere Demokratie entartet nicht zu einem Überwachungsstaat. 1984 ist lange vorbei, Big Brother eine Show im Fernsehen, die in die Jahre gekommen ist. Zugleich aber – richtig – geht es unverändert darum, Angemessenheit im Kampf gegen die Gefahren für eine westlich geprägte, liberale Gesellschaft zu wahren. Hier findet sich ein Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit, das durch die Anschläge in den vergangenen Jahren aufgeladen ist. Da sind Extreme auf beiden Seiten von Übel. Doch Diskussionen zwischen Justiz- und Innenministerium können nur hilfreich sein, weil beide Ressorts je auf ihre Weise dazu beitragen, das rechte Maß zu finden, das eine zurückhaltender, das andere drängender.

Nun sind gerade im Bereich der Gesetze und Gesetzesvorhaben die Fakten übersichtlich. Was Schäuble will: Mautdaten werden schon heute für die Fahndung genutzt, wenn beispielsweise einer die Autobahngebühren nicht gezahlt hat. Die Daten auch zu nutzen für einen, der im Verdacht eines Verbrechens oder des Terrorismus steht – was spricht dagegen? Oder: Passbilder werden schon heute herangezogen, um Temposündern auf die Spur zu kommen. Das ist ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bei einem Verkehrsdelikt. Passbilder, auch elektronisch gespeicherte, für die Terrorfahndung zu verwenden – was spricht dagegen? Wohnungsdurchsuchungen werden heute unter strengen gerichtlichen Auflagen erlaubt. Razzien online, in den eigenen PCs, unter noch strengeren Auflagen zu gestatten – was spricht dagegen?

Nicht alles, was überlegt wird, wird Gesetz. Nur muss manches Gesetz von Rechts wegen neu gefasst werden, wie das für die Arbeit des Bundeskriminalamts. Die Föderalismusreform I, von der SPD mitbeschlossen, gibt dem BKA die Zuständigkeiten für die Gefahrenabwehr des Terrorismus. Aber: Selbstverständlich auf einwandfreier verfassungsrechtlicher Grundlage – sagt der für die Verfassung zuständige Innenminister. Das ist ein konservatives Staats- und Rechtsverständnis, in der Tat. Er kennt seine Zuständigkeit und Verantwortung.

Wer Zweifel hat, kann sie prüfen lassen. Wo Zweifel bleiben, wird im Bundestag nicht beschlossen. Da gilt das Struck’sche Gesetz: Kein Entwurf kommt so aus dem Parlament heraus, wie er eingebracht wurde. Für fortwährende Überspanntheit, gerade bei der SPD, gibt es deshalb keinen Grund. Wohl aber für einen Anfangsverdacht bei der Union, dass es dem Partner um etwas ganz anderes geht.

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