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© dpa

Nordrhein-Westfalen: Flirten für Jamaika

Nach der Kommunalwahl und neun Monate vor der Landtagswahl denkt NRW-Ministerpräsident Rüttgers über neue Partner nach

Jürgen Rüttgers hatte vorgebaut. „Das ist kein Test für die folgenden Wahlen“, hatte der nordrhein-westfälische Regierungschef in den vergangenen Wochen gebetsmühlenartig wiederholt. Und am Tag nach dem Urnengang in den Kommunen des größten Bundeslandes erinnert er an seinen Satz. Auf diesem Wege versucht Rüttgers, alle kritischen Fragen zu den Aussichten seiner CDU bei der Bundestagswahl am 27. September abzufedern – und noch mehr in Bezug auf das im kommenden Mai folgenden Votum auf Landesebene. Bislang waren die Strategen der Union davon ausgegangen, dass der Düsseldorfer Regierungschef diesen Test ohne größere Mühe bestehen würde; diese Sicherheit ist in Düsseldorf erst einmal verflogen.

Etwas zerknirscht stellt Rüttgers am Morgen danach fest: „Natürlich freut man sich nicht, wenn man etwas verliert“, und dann fügt er mit Blick auf den Wunschkoalitionspartner FDP hinzu, „nun sind bei der FDP die Bäume auch nicht in den Himmel gewachsen“. Damit analysiert Rüttgers zwei wesentliche Ergebnisse des Urnenganges in den 396 Kommunen: Seine CDU ist nach dem Überraschungssieg von 1999 mit jetzt 38 Prozent um insgesamt 12 Punkte wieder auf Normalmaß zurückgefallen, und die FDP, die davon geträumt hatte, die Grünen als dritte Kraft im Lande abzulösen, hat mit 9,2 Prozenten zwar gut, aber eben nicht überragend abgeschnitten.

Dieses Bild wird anhand der absoluten Zahlen noch deutlicher. Als die CDU 1999 viele rote Rathäuser stürmte, entschieden sich insgesamt 3,7 Millionen Wähler für die Rüttgers-Partei. Jetzt konnte man nur noch 2,8 Millionen Menschen dazu bewegen, ihr Kreuz bei der CDU zu machen. Wie wichtig die Kommunen sind, hat der Politfuchs Rüttgers seinen Freunden in der Vergangenheit immer wieder gesagt. „Die Wahlen werden über die Kommunen gewonnen“, rief er seiner CDU in Oppositionszeiten stets zu. Um nicht zu sehr an solche Zusammenhänge erinnert zu werden, betont er inzwischen, dass der Gegenwind ausschließlich aus Berlin gekommen und der großen Koalition geschuldet sei.

Dass er diese Erklärung selbst nicht hundertprozentig glaubt, offenbart Rüttgers durch eine andere Bemerkung. Natürlich ist ihm nicht entgangen, dass die Grünen in Nordrhein-Westfalen klar zur dritten politischen Kraft herangereift sind. Mit zwölf Prozent haben sie die FDP trotz ihrer demoskopischen Höhenflüge klar übertrumpft; die Liberalen mussten sich mit 9,2 Prozent begnügen. Die liberale Parteiführung reagierte deshalb auch hellhörig, als Rüttgers interessante koalitionspolitische Signale in die Welt setzte. Als er gefragt wurde, ob die CDU nicht auch den Grünen gegenüber offener werden muss, antwortete er eindeutig: „Ja, wir werden diese Debatten bekommen“, und fügte, zunächst mit Blick auf Thüringen und das Saarland, hinzu, „dabei kann ja durchaus eine Konstellation von CDU, FDP und Grünen herauskommen“. Bei solchen Sätzen erinnern sich viele Beobachter in Düsseldorf an seinen ausgesucht freundlichen Umgang mit der grünen Fraktionschefin Sylvia Löhrmann.

Das alles könnte nötig werden, weil es der CDU offenbar nicht gelingt, die städtische Klientel dauerhaft zu binden. Zumindest im Ruhrgebiet haben offenbar die Genossen ihren Tiefpunkt durchschritten und in einigen Kommunen Terrain zurückgewonnen. Bis auf Duisburg haben sie inzwischen alle Rathäuser gewonnen, selbst in den Räten liegen sie meistens vorne. In Städten wie Essen haben SPD-Kandidaten in einem aufwendigen Häuserwahlkampf viele Klinken geputzt und dabei einen ersten Teil der alten Anhänger wieder überzeugen können, das Kreuz bei den Genossen zu machen. „Die Stimmung gegen uns hat sich gedreht“, freut sich etwa Reinhard Paß, der neue Essener Oberbürgermeister, der nach zehn mageren SPD-Jahren das Amt der CDU entwunden und mit einem hohen Vorsprung gewonnen hat. „Das Ruhrgebiet ist wieder rot“, heißt das in den Worten von Oppositionschefin Hannelore Kraft. Sie hofft, dass die gewonnen OBPosten Rückenwind für die anstehenden Wahlen geben. Sie weiß allerdings genau, wie nötig das ist, denn auf das ganze Land gesehen haben die Sozialdemokraten mit knapp 30 Prozent und 2,1 Millionen Stimmen noch viel Luft nach oben.

In Bonn zog die erste von Muslimen gegründete Wählervereinigung, das Bündnis für Frieden und Fairness, mit zwei Sitzen in den Stadtrat ein.

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