zum Hauptinhalt

Politik: Normale Jungs von nebenan

Großbritannien ist entsetzt über die vier Selbstmordattentäter aus dem eigenen Land

In Großbritannien hat die Erkenntnis, dass die ersten Selbstmordanschläge in Westeuropa durch im Land geborene britische Muslime verübt wurden, Bestürzung und tiefe Verunsicherung ausgelöst.

Die Polizei bestätigte am Mittwoch, dass alle vier mutmaßlichen Selbstmordbomber aus dem Raum Leeds stammen. Sie zündeten vier Sprengsätze in der U-Bahn und in einem Bus, bei deren Explosion nach offiziellen Angaben mindestens 52 Menschen ums Leben kamen.

Im Unterhaus sprach Premier Tony Blair von einem „tiefen Schock“, aber auch der „Notwendigkeit und Erkenntnis, jetzt handeln zu müssen“. Oppositionschef Michael Howard sagte, das Land werde viel Zeit brauchen, um damit fertig zu werden, dass die Gräueltaten „von denen verübt wurden, die in unserer Mitte geboren und aufgezogen wurden“.

Muslimführer im ganzen Land brachten ihr Entsetzen zum Ausdruck. Der Vorsitzende des britischen Muslimrats, Iqbal Sacranie, sprach von „Sorge, Schock und Horror“. Nichts im Islam könne diese Toten rechtfertigen. Im Unterhaus sagte der Labourabgeordnete Shahid Malik, selbst ein Muslim: „Verurteilen reicht nicht. Wir Muslims selbst müssen gegen die Stimmen des Bösen antreten.“ Einer der Selbstmordtäter stammt aus seinem Wahlkreis Dewsbury bei Leeds.

Die Polizeifahndung konzentrierte sich am Mittwoch auf die Kontakte und Verbindungen der vier Bombenleger. Experten gehen davon aus, dass sie Beziehungen zu internationalen Terrornetzen hatten und mindestens ein erfahrener Al-Qaida-Terrorist technische Hilfe leistete und die Zelle „aktivierte“.

Unter anderem werden nun alle Flugpassagierlisten von Flügen aus Großbritannien in den Tagen vor dem Anschlag geprüft. Vermutlich hat der Anführer der Attentäter das Land vor dem Anschlag bereits wieder verlassen. Eine Person wurde am Dienstag in Leeds verhaftet und wird in London verhört. Die Polizei setzte am Mittwoch an mehreren Adressen in Leeds die Spurensicherung fort. Beweismaterial wurde nach mehreren Sicherheitssprengungen auch in einem am Bahnhof Luton abgestellten Fahrzeug sichergestellt.

Die Polizei bestätigte inzwischen drei Namen der Täter – alle vier sind pakistanischer Abstammung: Der 18-jährige Hasib Hussain ist bei der Busexplosion am Tavistock Square ums Leben gekommen. Seine Familie hatte am Abend des Anschlags noch eine Vermisstenmeldung aufgegeben. Der 22-jährige Shehzad Tanweer sprengte sich am Aldgate in die Luft. Als dritten Täter identifizierten Zeitungen den 30-jährigen Mohammed Sadiq Khan. Dokumente mit seinem Namen fanden sich in dem Zug bei der Edgware Station. Der Name des vierten Täters wurde nicht mitgeteilt. Seine Überreste sollen in den Trümmern des Piccadilly Line Zugs liegen, dessen Bergung immer noch nicht abgeschlossen ist.

Alle vier werden in den britischen Medien als „normale britische Jugendliche“ beschrieben, nur einer soll öfter in die Moschee gegangen sein. Tanweer spielte gerne Cricket, wird als „fröhlich und ein guter Kumpel“ beschrieben, der nach seinem Sportstudium dem Vater in seinem Fish-and-Chips-Shop half. Doch einem Bericht des „Mirror“ zufolge soll mindestens Tanweer mehrere Monate in Afghanistan und Pakistan gewesen sein – „mit einer Gruppe von jungen Leuten aus dem Ort“, wie einer seiner Freunde sagt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false