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Politik: Notizen aus der Provinz

Der Föderalismus soll erneuert werden – die Unions-Länder vermuten, dass die SPD keine größere Reform will

Am 17. Oktober wollen Bundestag und Bundesrat die von SPD-Fraktionschef Franz Müntefering angeregte Föderalismuskommission einsetzen. Vier Wochen vor dem feierlichen Akt aber regt sich in den Ländern Unmut über die Art und Weise, wie die Kommission vorbereitet wird. So ist derzeit unklar, ob es einen gemeinsamen Beschluss beider Kammern geben wird. Der vorliegende Einsetzungsbeschluss trifft offenbar noch auf einige Bedenken in den Ländern. Und noch ist völlig unklar, wie die Kommission eigentlich besetzt werden soll. Offenbar zeigen die Fraktionschefs im Bundestag, auch Müntefering, nur geringe Neigung, Mitglied in der Kommission zu werden, die den größten Umbau des Bund-Länder-Verhältnisses seit 1969 vorbereiten soll. In der Union wird daher vermutet, dass das Interesse der SPD an einer größeren Reform nicht sonderlich ausgeprägt ist. In CDU und CSU ist das anders: Dem Vernehmen nach sind gleich mehrere Ministerpräsidenten daran interessiert, in der Kommission eine prominentere Rolle zu spielen. Für die Unions-Fraktion im Bundestag soll Fraktionsvize Wolfgang Bosbach die führende Rolle spielen.

Missfallen in den Ländern erregt vor allem, dass die SPD im Bundestag nicht gewillt ist, die Zwischenergebnisse der bisherigen Bund-Länder-Gespräche als Grundlage der Kommissionsarbeit zu akzeptieren. Das Bundeskanzleramt hatte mit den Ländern, die sich zuvor einmütig auf ein eigenes Reformpapier verständigt hatten, schon einige Monate verhandelt, bis Müntefering im Juni intervenierte und die Mitsprache des Bundestages reklamierte. „Wir sollten zum jetzigen Zeitpunkt keine Bedingungen stellen, die die Arbeit der gemeinsamen Verfassungskommission belasten“, sagte zwar Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) dem Tagesspiegel. Doch auch für Teufel ist selbstverständlich, dass „das Ergebnis der bisherigen Regierungsgespräche auch Gegenstand der Diskussion in der Kommission“ sein müsse. Deutlichere Töne kommen aus Dresden. „Wir können nicht wieder bei Adam und Eva anfangen, wenn man wirklich bis Ende 2004 zu einem Ergebnis kommen will“, sagt Sachsens Staatskanzleichef Stanislaw Tillich (CDU).

Für die Unions-Länder ist klar, dass die Länderforderung nach mehr Eigenständigkeit Kern der Kommissionsarbeit sein muss. Sie streben an, auf einigen Feldern von Bundesgesetzen abweichen zu können und so – etwa im Umweltrecht, bei der Sozialgesetzgebung oder der Beamtenbesoldung – eigene Vorstellungen umsetzen zu können. Zudem soll die Rahmengesetzgebung des Bundes entfallen, etwa für die Hochschulpolitik. In diesem Zusammenhang kritisiert Tillich, dass der Bund in seinem Haushalt für 2004 bereits die Bundesmittel für den Hochschulbau gekürzt habe, ohne das Ergebnis der Gespräche abzuwarten. Denn die Länder haben Anspruch auf die Bundesmittel in bisheriger Höhe erhoben. Auch Teufel rügt eine „fiskalische Vorwegnahme der von der Bundesregierung gewünschten Ergebnisse der Föderalismusdiskussion“. „Das Ziel der Bundesregierung ist allzu durchsichtig, wenn sie sich damit einer finanziellen Kompensation zugunsten der Länder entziehen will.“

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) spricht sich dafür aus, bei der Verlagerung von Kompetenzen an die Länder zurückhaltend zu verfahren. Sie befürchtet eine Rechtszersplitterung, wenn Länder von Bundesgesetzen abweichen können. Tillich hält dagegen: „Das ist Schwarzmalerei.“ Er hält auch nicht viel von dem Argument von Zypries, der Bundesrat habe zu viel Einfluss auf die Gesetzgebung des Bundes. „Das verdreht die Tatsachen“, sagt der sächsische Minister. Der Bund müsse im Gegenteil wieder mehr Aufgaben an die Länder abgeben, wo zu wenig entschieden werden könne. Zypries betreibe „Zentralstaatstheorie“.

Doch scheint vor allem für die SPD-Fraktion im Bundestag das bevorzugte Objekt der Reformbegierde der Bundesrat zu sein. Zunehmend herrscht dort Verstimmung darüber, dass wegen der Mehrheit der Union in der Länderkammer rot-grüne Gesetze scheitern oder zumindest im Vermittlungsausschuss verändert werden. In der Union herrscht daher die Befürchtung, dass die SPD aus tagespolitischen Gründen mit einer Reform zufrieden sein könnte, die einseitig den Einfluss des Bundesrats zurückstutzt. Grünen-Fraktionschefin Krista Sager, sowohl in der Bundes- wie in der Landespolitik erfahren, hat mit Blick auf die Gefechtslage schon vor Wochen eine Empfehlung für die Arbeit in der Föderalismuskommission gegeben: „Wir müssen einfach mal vergessen, wer gerade wo regiert.“

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