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Politik: NRW-Linke umwerben die CDU

Die Diskussion um die Wahl des Parlamentspräsidenten zeigt, wie schwierig das Regieren für Hannelore Kraft wird

Hannelore Kraft hatte den schönen Teil des Tagesprogramms gerade erst hinter sich gebracht, als ihr ein wichtiger Gesprächspartner am Telefon avisiert wurde. Während sie gemeinsam mit ihrer neuen Duzfreundin Sylvia Löhrmann die Perspektiven der künftigen rot-grünen Regierung lobte („eher fünf Jahre als fünf Monate“), wollte sie plötzlich Karl Josef Laumann sprechen. Der frischgewählte CDU-Fraktionschef weilte mit seiner Parlamentstruppe zur ersten Sitzung in Münster und hatte eine wichtige Botschaft für die designierte Ministerpräsidentin. „Wir sind für den strukturierten Antrag“, erklärte er Kraft, die endlich wissen wollte, wie sich die CDU am Dienstag bei der Frage des Parlamentspräsidiums verhält. Das Codewort „strukturierter Antrag“ steht für den Versuch, neben einem Parlamentspräsidenten noch weitere vier Stellvertreter zu wählen – also auch eine Vertreterin der Linken.

Darüber hatte es in den zurückliegenden Tagen heftige Auseinandersetzungen gegeben, die praktisch alle Parteien in eine schwierige Lage gebracht haben. Ausgangspunkt des Machtkampfes war der Anspruch sowohl von CDU als auch SPD, den Präsidenten zu stellen. Während die CDU darauf pochte, dass es geübte Praxis unter Parlamentariern sei, der stärksten Fraktion den ersten Zugriff auf das überwiegend protokollarisch wichtige Amt zu geben, hielt die SPD dagegen. Die Sozialdemokraten mochten nicht akzeptieren, dass die CDU wegen ihrer 5700 Mehrstimmen ihren Kandidaten Eckard Uhlenberg durchsetzen kann, und pochte auf eine offene Abstimmung, weil beide großen Parteien jeweils 67 Abgeordnete stellen. Am Ende entschieden ausgerechnet die bei der CDU verhassten Linken das Spiel. „Wir akzeptieren die parlamentarische Praxis und werden Uhlenberg wählen“, ließ sich Linken-Fraktionschef Wolfgang Zimmermann zitieren – und provozierte damit wütende Reaktionen bei der CDU.

Nachdem man sich zunächst darüber gefreut hatte, für den noch amtierenden Umweltminister Uhlenberg einen angemessenen Posten gefunden zu haben, schoss ausgerechnet der neue Fraktionschef Karl Josef Laumann quer. „Ich bin der Meinung, dass die Linke nicht im Präsidium vertreten sein sollte“, antwortet er kurz nach seiner Wahl auf entsprechende Fragen und brüskierte damit erst einmal Uhlenberg. Denn eines war auch klar: Die Linke würde Uhlenberg nur wählen, wenn die CDU anschließend ihre Kandidatin Gunhilt Böth ins Stellvertreteramt hieven würde. „Wenn Laumann da nicht mitmacht, werden wir uns überlegen, ob wir Uhlenberg wählen“, drohte der linke Abgeordnete Rüdiger Sagel in Richtung CDU. Die Botschaft ist offenbar angekommen: Die CDU wird im Paket für den Antrag mit vier Stellvertretern stimmen, also auch den Anspruch der Linken akzeptieren.

Ob die CDU am Ende Gunhild Böth mitwählt, ist damit allerdings nicht ausgemacht. Böth war bundesweit aufgefallen, weil sie bestritten hatte, dass die DDR „in toto ein Unrechtsstaat“ war, und selbst Hannelore Kraft hatte sich kritisch zu der Lehrerin Böth geäußert. „Ich möchte nicht, dass mein Sohn bei ihr Unterricht hat“, hat Kraft gesagt. Was das nun für die Wahl des Landtagspräsidiums im größten Bundesland und den designierten Präsidenten Uhlenberg heißt, der Stimmen der Linken braucht, wird am Dienstag zu besichtigen sein.

Jürgen Rüttgers will indes schneller als erwartet sein Amt als CDU-Landesvorsitzender zur Verfügung stellen. Sein Nachfolger soll noch vor dem Bundesparteitag in November gewählt werden, gab Rüttgers am Montag in Münster bekannt.

FDP-Chef Guido Westerwelle warnte, nach dem „Probelauf“ in NRW wollten SPD, Grüne und Linkspartei auch im Bund eine Minderheitsregierung bilden. „Das ist eine Linksregierung, die in NRW gebildet wird“, sagte der Vizekanzler: „Es steht Rot-Grün drauf, aber es ist Rot-Rot-Grün drin.“ SPD und Grünen warf Westerwelle eine „unsittliche Schuldenpolitik“ auf Kosten künftiger Generationen vor. Mit der angestrebten Einheitsschule würde das gegliederte Schulsystem und der Anspruch auf Qualität aufgegeben. mit hmt/dpa

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