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Politik: NS-Vorwürfe im Wahlkampf in Polen

Warschau - Eine Woche vor der Stichwahl von Polens Präsidentschaftskür ist ausgerechnet die Kriegsvergangenheit des Großvaters des rechtsliberalen Wahlfavoriten Donald Tusk zum wichtigsten Thema avanciert. Erst hatte Tusk eine Wehrmacht-Vergangenheit seiner Großväter mit dem Verweis auf deren KZ-Haft energisch dementiert.

Warschau - Eine Woche vor der Stichwahl von Polens Präsidentschaftskür ist ausgerechnet die Kriegsvergangenheit des Großvaters des rechtsliberalen Wahlfavoriten Donald Tusk zum wichtigsten Thema avanciert. Erst hatte Tusk eine Wehrmacht-Vergangenheit seiner Großväter mit dem Verweis auf deren KZ-Haft energisch dementiert. Doch Recherchen einer polnischen TV-Station haben nun ergeben, dass der vor 30 Jahren verstorbene Jozef Tusk 1944 tatsächlich einige Monate in der Wehrmacht diente.

Jacek Kurski, der Wahlkampfchef des nationalkonservativen Kandidaten Lech Kaczynski, hatte vor Wochenfrist als erster den Großvater von Tusk der Kollaboration mit den Deutschen bezichtigt. Dessen Vorwurf, dass einer der Großväter sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet habe, bezeichnet Tusk jedoch als „infame Lüge“. Als er auch noch Dokumente präsentierte, die belegten, dass seine Großväter beide nach dem Einmarsch der Wehrmacht im KZ Stutthof inhaftiert wurden, sah sich sein Rivale zum Handeln gezwungen. Kaczynski entschuldigte sich bei Tusk – und setzte seinen Wahlkampf-Chef vor die Tür.

Doch die Gerüchte über eine Wehrmacht-Vergangenheit von Jozef Tusk ließen den Privatsender TVN nicht ruhen. Auf Nachfrage bestätigte die Deutsche Dienststelle zur Benachrichtigung von Gefallenen in Berlin, dass der Tusk-Großvater zwischen August und Oktober 1944 zur Wehrmacht eingezogen worden sei. Als Freiwilliger hatte sich der Danziger aber keineswegs gemeldet – und war offenbar rasch desertiert: Aus britischen Unterlagen geht hervor, dass der übergelaufene Tusk schon am 24. November 1944 um die Aufnahme in eine polnische Einheit bat. Die Wähler scheint das alles kaum zu beeinflussen. Laut einer am Wochenende veröffentlichten Umfrage liegt Tusk mit 57 Prozent nach wie vor deutlich vor seinem Rivalen.

Thomas Roser

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