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Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe bespricht sich mit ihrem Verteidiger Mathias Grasel.

© Reuters

NSU-Prozess: Was die Aussage von Beate Zschäpe gebracht hat

Das Echo auf Beate Zschäpes Aussage im NSU-Prozess ist verheerend. Ganz wertlos sind ihre Einlassungen aber nicht gewesen.

Von Frank Jansen

Das Echo ist verheerend. Die Einlassung von Beate Zschäpe, die ihr Anwalt Mathias Grasel am Mittwoch im NSU-Prozess verlesen hat, wird von Opfern der Terrorzelle und in den Medien weithin als unglaubwürdig bewertet. Von einer „Frechheit“ spricht Gamze Kubasik, die Tochter des am 4. April 2006 in Dortmund von Zschäpes Kumpanen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossenen Kioskbetreibers Mehmet Kubasik. Die Eltern des nur zwei Tage später in Kassel getöteten Halit Yozgat empfinden Zschäpes Aussage als „große Enttäuschung“. Die Angehörigen der Ermordeten empört, dass zu ihrer wichtigsten Frage, warum ausgerechnet ihr Vater, Bruder, Sohn sterben musste, nichts kam. Dass Zschäpe behauptet, sie habe von den Morden und Sprengstoffanschlägen immer erst hinterher erfahren und protestiert, wird ihr nicht geglaubt. Welche Bedeutung hat nun die Einlassung, die Anwalt Grasel eineinhalb Stunden im Oberlandesgericht München vortrug, für den Fortgang des Prozesses?

Gänzlich wertlos ist die Aussage nicht. Zschäpe hat offenbar bei zwei Tatkomplexen falschen Verdacht ausgeräumt. So ist kaum noch zu bestreiten, dass Mundlos und Böhnhardt am 4. November 2011 in einem Wohnmobil in Eisenach sich selbst erschossen, als die Polizei näher kam - und nicht von einer ominösen dritten Person mit Verbindung zu Nachrichtendiensten hingerichtet wurden, wie Verschwörungstheoretiker mutmaßen. Zschäpe hat angegeben, Mundlos und Böhnhardt hätten „sich gegenseitig geschworen, sich niemals von der Polizei festnehmen zu lassen“ und sich eher „die Kugel geben würden“. Die Angeklagte war am 4. November 2011 überzeugt, „dass sie sich getötet hatten“.

Zschäpe erwähnte nur einen der vier Mitangeklagten

Auch der von Nebenklage-Anwälten geäußerte Verdacht, für den Bombenanschlag auf ein iranisches Geschäft in der Kölner Probsteigasse könnte ein rechtsextremer V-Mann des Verfassungsschutzes verantwortlich sein, ist offenkundig widerlegt. Zschäpe nannte Böhnhardt als Haupttäter. Demnach war er es, der im Dezember 2000 eine von ihm gebaute und in einer Christstollendose versteckte Bombe in dem Laden abstellte. Die Tochter des Inhabers öffnete im Januar 2001 die Dose und wurde bei der Explosion schwer verletzt.

Bei Zschäpes Einlassung fiel allerdings auch auf, dass sie nur einen der vier Mitangeklagten, Holger G., erwähnte. Über den hartnäckig schweigenden André E., der für den NSU Wohnmobile gemietet, manipulierte Bahncards besorgt und mit seiner Frau bis zuletzt Kontakt zu den Untergetauchten gehalten haben soll, sagte Zschäpe nichts. Ungenannt blieben auch der Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben sowie Carsten S., die zusammen die Pistole Ceska 83 beschafft haben sollen, mit der Mundlos und Böhnhardt neun Migranten erschossen. Wohlleben will demnächst selbst aussagen.

So lückenhaft Zschäpes Aussage sein mag, das Ziel ist doch zu erkennen. Zschäpe hofft offenbar, nur als Helferin von Mundlos und Böhnhardt sowie wegen der Brandstiftung in Zwickau belangt zu werden. Zschäpe hat zugegeben, am 4. November 2011 die Wohnung angezündet zu haben, in der sie mit den Männern gelebt hatte.

Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe vor, Mitglied der terroristischen Vereinigung NSU gewesen und bei allen Verbrechen der Gruppe die Mittäterin gewesen zu sein. Und die Brandstiftung in Zwickau wird auch als versuchter Mord an einer Nachbarin und zwei Handwerkern gewertet, die im Haus Räume renovierten.

Würden die Richter Zschäpe nicht als Mitglied des NSU einstufen, wäre der ganze Terrorvorwurf hinfällig. Im Strafrecht ist nur von terroristischer „Vereinigung“ mit mindestens drei Mitgliedern die Rede. Zschäpes Anwalt Grasel kalkuliert offenbar, seine Mandantin könnte lediglich für eine Beihilfe zu Taten von Mundlos und Böhnhardt sowie für den Brand in Zwickau verurteilt werden – und damit zu einer Strafe unterhalb von lebenslänglich.

Bis zu einem Urteil wird aber womöglich noch viel Zeit vergehen. Grasel fordert von den Richtern, sich auf ein zähes Frage-Antwort-Prozedere einzulassen. Der Strafsenat soll schriftlich Fragen formulieren, für die Grasel mit Zschäpe schriftliche Antworten erarbeiten will. Da die Richter reichlich Fragebedarf haben dürften, könnte das Hin und Her lange dauern.

Eine Chronik des NSU-Prozesses finden Sie hier.

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