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Die Angeklagte Beate Zschäpe - hier bei einem Gerichtstermin am 10. Januar 2017 - erhält in der Münchner Untersuchungshaftanstalt regelmäßig Geldzuwendungen.

© Peter Kneffel/dpa

Update

NSU-Prozess: Zschäpe bekommt regelmäßig Geld ins Gefängnis

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, wird regelmäßig finanziell unterstützt - unter anderen von einem mutmaßlichen Rechtsextremisten.

Von Frank Jansen

Den 350. Tag im NSU-Prozess dürfte Beate Zschäpe in keiner guten Erinnerung behalten. Dank der Fragen eines Opferanwalts an die Vizechefin der JVA München kam am Mittwoch heraus, dass die Angeklagte in der Untersuchungshaft von einem mutmaßlichen
Rechtsextremisten finanziell unterstützt wird. Zschäpe bekomme regelmäßig „mal100 Euro, mal 200 Euro“ von Angehörigen und einer dritten Person, sagte Mariona Hauck als Zeugin im Oberlandesgericht München. Hauck nannte auch den Namen der „dritten Person“, es handelt sich um Enrico K. aus München.

Der Mann verehrt Zschäpe bei Facebook und Twitter, zum Teil mit kitschigen Bildern, er verbreitet rassistische Parolen und propagiert „Freiheit für Bea“. Außerdem scheint Enrico K. die Angeklagte für die ihr vorgeworfenen Taten zu glorifizieren. In einem Eintrag von November 2014 hat Enrico K. über einem Foto von Zschäpe gepostet, „Aktiver Widerstand ist kein Terrorismus“. Die Bundesanwaltschaft hält Zschäpe vor, bei den zehn Morden und allen weiteren Verbrechen der Terrorzelle NSU die Mittäterin gewesen zu sein.

Die Angeklagte hat im Prozess angegeben, sie habe im Untergrund schockiert auf die von ihren Gefährten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos verübten Morde und Sprengstoffanschläge reagiert. Im September 2016 beteuerte Zschäpe in ihrer ersten mündlichen Aussage im Prozess, sie hege „keine Sympathie mehr für nationalistisches Gedankengut“.

Die Vizechefin der JVA, in der Zschäpe seit vier Jahren einsitzt, beschrieb die Angeklagte als unauffällige Gefangene. Zschäpe sei bei den anderen Mithäftlingen „gut integriert“. Disziplinarische Vorfälle habe es nicht gegeben. Die teilweise wilden Berichte von ehemaligen Gefangenen, die Zschäpe in der JVA kennengelernt hatten und als rabiate Wortführerin beschrieben, konnte Hauck nicht bestätigen. Die Vizechefin der JVA bescheinigte Zschäpe allerdings eine „gewisse Prominenz“, da sie die am längste inhaftierte Gefangene sei.

Psychiatrischer Gutachter hält Einstellungsänderung für kaum denkbar

Dass Hauck über Zschäpes Verhalten in der Untersuchungshaft nichts Negatives zu berichten hatte, ist allerdings für den psychiatrischen Gutachter Henning Saß kein Grund, die Angeklagte anders als bislang zu charakterisieren. Das „reibungslose Verhalten“ Zschäpes in der JVA sei „nichts, was überrascht“, sagte Saß am Mittwoch auf Fragen des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl. Es gehöre zu den „besonderen Fähigkeiten“ der Angeklagten, „dass sie sich kontrolliert und gut der Situation angepasst verhalten kann", sagte Saß. Er verwies auf die falschen Geschichten, mit denen Zschäpe in den Jahren im Untergrund ihre eigene Identität und die von Böhnhardt und Mundlos gegenüber Nachbarn und Urlaubsbekannten tarnte.

Der Psychiater hatte Zschäpe im Auftrag des Strafsenats seit Beginn des Prozesses beobachtet und im Januar sein Gutachten erstattet. Für Saß ist Zschäpe, die jede Kommunikation mit ihm verweigert, eine Person mit „dissozialen und antisozialen Zügen“. Er hält es für kaum denkbar, dass Zschäpe nach der Festnahme ihre innere Einstellung geändert hat. Saß hat in seinem Gutachten sogar angedeutet, bei der Angeklagten könnte auch nach einer langen Haftstrafe noch Sicherungsverwahrung notwendig sein.

Mit der Aussage von Saß am Mittwoch ist seine wochenlange Befragung für den Strafsenat beendet. Die Vernehmung des psychiatrischen Gutachters sei abgeschlossen, sagte Götzl, nachdem kein Anwalt mehr Fragebedarf signalisiert hatte. Drei der fünf Verteidiger Zschäpes widersprechen allerdings der Verwertung der Angaben von Saß. Die Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm halten das Gutachten des Psychiaters für methodisch mangelhaft. Offen bleibt zudem, ob Zschäpe sich von einem anderen Psychiater explorieren lässt.

Verteidiger beantragt Gespräche von Freiburger Professor mit Zschäpe

Vergangene Woche wurde bekannt, dass Zschäpes Verteidiger Mathias Grasel schriftlich beantragt hat, dem Freiburger Professor Joachim Bauer vertrauliche Gespräche mit Zschäpe in der JVA München zu ermöglichen. In dem Antrag heißt es, „gegebenenfalls“ würde Zschäpe sich dann auch von Bauer explorieren lassen. Sollte der Strafsenat zustimmen, wäre im NSU-Prozess ein weiteres psychiatrisches Gutachten zu erwarten. In Justizkreisen war zu hören, es sei nicht auszuschließen, dass die Richter sich auf das Prozedere einlassen, auch wenn sich das Ende der Beweisaufnahme und der Beginn der Plädoyers weiter verzögern würden.

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