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Politik: Nun muß das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt dran glauben

Bundespräsident Johannes Rau hat die Rolle der Kirche während der friedlichen Revolution in der DDR vor zehn Jahren gewürdigt. Sie habe den Menschen ein schützendes Dach gegeben und sei ein Magnet für Hilfe Suchende gewesen, sagte Rau am Dienstag vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Leipzig.

Bundespräsident Johannes Rau hat die Rolle der Kirche während der friedlichen Revolution in der DDR vor zehn Jahren gewürdigt. Sie habe den Menschen ein schützendes Dach gegeben und sei ein Magnet für Hilfe Suchende gewesen, sagte Rau am Dienstag vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Leipzig. Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer sei es "verfehlt, fehlendes Glockengeläut zu reklamieren", sagte der Bundespräsident in Anspielung auf die Kritik von Altbundeskanzler Helmut Kohl. Dieser hatte der evangelischen Kirche kürzlich vorgeworfen, zur deutschen Einheit erbärmlich geschwiegen zu haben. Er, Kohl, hätte erwartet, dass die Kirchen Glocken läuten würden und Gott danken für das Geschenk der Einheit. Dem hielt der Bundespräsident entgegen, die Gesellschaft hätte den Kirchen dafür zu danken, was sie seinerzeit getan hätten.

Auch der frühere Superintendent des Kirchenbezirkes Leipzig-Ost, Friedrich Magirius, der seinerzeit Pfarrer an der Leipziger Nikolaikirche war, erinnerte an die Ereignisse von 1989. Zugleich zeigte er sich tief enttäuscht über die heutige Zeit: "Zehn Jahre danach - wir sind Beitrittsgebiet geworden", sagte der Theologe. Alles sei den "Verhältnissen der BRD" angeglichen, alles systematisch übernommen worden, selbst kirchliche Strukturen. Nichts an eigenen Erfahrungen zähle. "Mitgestaltung, Mitverantwortung, Demokratie, wie wir sie begonnen hatten zu lernen, ist nicht gefragt. Die Erneuerung ist abgebrochen", sagte Magirius.

Im Anschluss an das Gedenken zum Jahrestag des Mauerfalls brachte der Rat den Haushalt 2000 ein. Strittigster Punkt ist die Zukunft der evangelischen Publizistik. Die EKD sieht keine Chance mehr, das "Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt" zu erhalten, für das sie jährlich neun Millionen Mark ausgibt. Die Förderung des Blattes, dessen verkaufte Auflage nach Angaben des Rates bei nur noch 15 000 Exemplaren liegt, soll spätestens im Frühjahr 2000 eingestellt werden. Auch ein eigenständiges evangelisches Monatsmagazin hält der Rat für nicht finanzierbar. Prüfen will das EKD-Leitungsgremium jedoch einen Vorschlag des Süddeutschen Verlages, eine monatliche kirchliche Beilage für Tageszeitungen zu produzieren. Der Rat bat die Synode um ein Mandat, darüber ohne weiteren Synoden-Beschluss selbst zu bestimmen. Es wird damit gerechnet, dass das Kirchenparlament der Bitte in den nächsten zwei Tagen entsprechen wird.

Allerdings sind die Bedingungen des Rates hart, und so rechnen einige Synodale damit, dass die EKD auch diese Publikation im Grunde nicht unterstützen will. So ist nach den Angaben des Ratsmitglieds Ruth Leuze von vorneherein ausgeschlossen, Zuschüsse zu den Personalkosten der 38 Mitarbeiter des "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts" zu geben, die der Süddeutsche Verlag übernehmen müsse, um in den Genuss des Verlustvortrages in Höhe von 45 Millionen Mark zu kommen. Sichergestellt werden müsse auch, dass mindestens eine Million Beilagenexemplare in einer geografisch ausgewogenen Weise verteilt würden. Bislang ist nur vorgesehen, das Monatsmagazin der "Süddeutschen Zeitung" beizulegen. Dies genüge angesichts einer Auflage von rund 520 000 Exemplaren nicht, sagte Leuze. Ob andere Verlage bei dem Projekt mitmachen werden, ist unklar. Der Haushaltsplan der EKD für 2000 beläuft sich auf 423 Millionen Mark. Das sind knapp fünf Prozent weniger als im Jahr zuvor. Seit 1995 habe die EKD 27,1 Prozent ihrer Mittel eingebüßt, sagte Leuze. Zugleich habe die Kirche mehr Kirchensteuern eingenommen. 1998 sei das Kirchensteueraufkommen im Vergleich zu 1997 um 2,5 Prozent gestiegen. Nach Einschätzung des Rates handelt es sich jedoch nur um ein leichtes Zwischenhoch. Die EKD rechnet im Zuge der anstehenden Steuerreform mit Mindereinnahmen von zehn Prozent.

Beatrice von Weizsäcker

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