zum Hauptinhalt
Foto: dpa

© dpa

Politik: „Nur die Mutigen lassen sich beraten“

Familienministerin legt Studie zu Zwangsehen vor: Betroffen sind vor allem junge Migrantinnen

Berlin - Die meisten Opfer von Zwangsehen in Deutschland sind sehr junge Migrantinnen. Eine Befragung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums förderte 3443 Fälle zutage, in denen Frauen – und ein kleinerer Teil Männer – zu einer Ehe gezwungen oder unter entsprechenden Druck gesetzt wurden. In fast einem Drittel der Fälle handelte es sich um Mädchen im Alter bis 17 Jahren, 40 Prozent waren 18 bis 21 Jahre alt. Sieben Prozent der derart unter Druck Gesetzten waren Männer, 40 Prozent sind türkischer Herkunft.

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) verwies darauf, dass die Daten nicht repräsentativ seien: „Nur die Mutigen“ gingen zur Beratung, das Dunkelfeld sei kaum aufzuhellen. Die Zahlen stammen aus einer Auswertung der Arbeit von bundesweit 830 Beratungsstellen im Jahre 2008 und umfassen aktuelle ebenso wie länger zurückliegende Fälle. 44 Prozent der Betroffenen haben einen türkischen Hintergrund, fast acht Prozent stammten vom Balkan, gefolgt von asiatischen, afrikanischen, aber auch anderen europäischen Ländern. Ein knappes Drittel wurde schon in Deutschland geboren.

Die Datenerhebung ist eine der seltenen zur seit Jahren diskutierten Zwangsehe. Erhoben hat sie die Hamburger Lawaetz-Stiftung, deren Aufgabenfeld vor allem im EU-Projektmanagement liegt. Mit Zwangsehen hatte die Bundesregierung mehrfach Migrationspolitik begründet – unter anderem das höhere Nachzugsalter für Familienangehörige. Auch für die Deutschprüfung, die Nicht-EU-Ausländer seit 2007 ablegen müssen, bevor sie zum Ehepartner nach Deutschland dürfen, lieferte die Verhinderung von Zwangsehen den Grund. Kritiker fordern stattdessen mehr Rechte – zum Beispiel das Recht, eine Zwangsehe zu beenden, ohne das Aufenthaltsrecht zu verlieren.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde (TGD), Kenan Kolat, sagte dem Tagesspiegel, man werde die neuen Zahlen „sehr ernsthaft durchforsten“. Auch wenn die genaue Größenordnung nicht bekannt sei, gebe es das Problem der Zwangsehen, und jede sei eine Menschenrechtsverletzung. Die TGD werde sich auch bei der türkischen Regierung für Hilfe und Prävention einsetzen. Andrea Dernbach

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false