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Im Bundesland von Winfried Kretschmann (r) und Winfried Hermann (beide Grüne) ist mit Daimler einer der bedeutendsten Autokonzerne zu Hause.

© picture alliance / dpa

Kartellvorwürfe gegen deutsche Autoindustrie: Nur ein bisschen Aufklärung

Sollten deutsche Autobauer ein Kartell gebildet haben, wäre das ein Skandal, der nach Konsequenzen ruft: Wie reagiert die Politik?

Von Antje Sirleschtov

Als sich Winfried Hermann, baden-württembergischer Verkehrsminister, wenige Stunden nach Bekanntwerden der Kartellvorwürfe gegen die Automobilbauer im ZDF äußerte, konnte man dem Grünen-Politiker die Betroffenheit ansehen. Von „Aufklärung“ sprach er und von nötiger „Demut“ der Manager. Lediglich auf die Frage, ob sich die eigene Landesregierung vielleicht auch zu wenig um Aufklärung und Konsequenzen bemüht habe und die Verteidigung des Diesels durch den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zu früh kam, wurde Hermann plötzlich einsilbig. In seinem Bundesland ist mit der Daimler AG einer der bedeutendsten Automobilkonzerne zu Hause.

Die Autobranche sichert direkt und indirekt viele hunderttausend, wenn nicht gar Millionen Arbeitsplätze. Ganze Regionen leben von den Konzernen, ihren Zulieferern, den Gewerbesteuern und den Einkommen der Mitarbeiter. Ganz klar, dass das nicht ohne Einfluss auf Gewerkschaften und Politik bleibt. Wenn Unternehmen kriseln, werden Regierungskommissionen eingesetzt und Rettungspläne geschmiedet.

Erst US-amerikanische Behörden hatten den Diesel-Skandal ins Laufen gebracht. Der Verdacht, die deutsche Politik habe dessen Aufarbeitung nicht mit allzu großer Konsequenz betrieben, ist nicht neu. Im Bundestag musste sich nicht nur Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) diesen Vorwurf gefallen lassen. In Niedersachsen, das am VW-Konzern beteiligt ist, traf er SPD-Regierungschef Stephan Weil gleichermaßen. Und auf die Beteuerungen ihres Parteifreundes Kretschmann angesprochen, der Diesel sei ein gutes Antriebssystem, wechseln grüne Politiker außerhalb Baden-Württembergs regelmäßig nervös das Thema.

Der Verdacht liegt nahe, dass die Enthüllungen nur der Anfang sind

Das Bestreben von Politikern, eine der wichtigsten Branchen im Land nicht unnötig unter zusätzlichen Druck zu bringen, war auch an diesem Wochenende zu spüren. Dass offenbar die fünf Großen der Branche seit Jahren kartellrechtlich relevante Absprachen zulasten von Kunden getroffen haben, ist zweifellos ein Skandal, der nach deutlichen Worten und Konsequenzen der Politik ruft. Zumal der Verdacht nahe liegt, dass die Enthüllungen nur die Spitze des Eisbergs sind.

Doch ist bisher geschehen? Wenig – zumindest wenn man die Dimension der Vorgänge in Betracht zieht. Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) stellt fest, es gehe um Glaubwürdigkeit, ihr Kabinettskollege Dobrindt nennt den Skandal eine Belastung. Und schlussendlich mahnt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz „rasche Aufklärung“ an. Von wem und wie? Keine Antworten. Nicht einmal eine Befassung des zuständigen Verkehrsausschusses im Bundestag wird zustande kommen. Die Koalition schweigt, eine Sondersitzung wird abgelehnt. Hunderttausende Autobauer, so scheint es, sind auch hunderttausende Wähler, deren Jobs bei allzu heftigen Konsequenzen gefährdet sein könnten. In acht Wochen ist Bundestagswahl.

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