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Politik: Nur eine Hälfte

Von Thomas Roser

Auffällig versöhnliche Töne stimmt Polens künftiger Präsident nach seinem Wahlsieg an. Doch auch wenn Lech Kaczynski nun den um Ausgleich bemühten Landesvater gibt, sein Erfolg ist nicht nur für die politische Lage in Polen eine schlechte Nachricht, sondern auch für ganz Europa.

Unter diesem polarisierenden Patrioten wird sich die gesellschaftliche und politische Spaltung Polens vermutlich weiter verschärfen. Für den überzeugten Antikommunisten Kaczynski war die Abrechnung mit der sozialistischen Vergangenheit des Landes immer eines seiner wichtigsten Anliegen. Setzt er nun um, was er im Wahlkampf angekündigt hat, würde dem Land die Lähmung durch eine endlose StasiDebatte drohen.

Wie geteilt das Land bereits ist, lässt sich am Wahlergebnis ablesen: Gewählt haben Kaczynski vor allem die Landbevölkerung sowie die älteren Polen, aus Sehnsucht nach geordneten Verhältnissen und dem starken Mann. Aus Sicht der europäisch orientierten Polen in den Großstädten und im Westen des Landes bedeutet die Wahl des autoritär auftretenden Saubermanns einen schmerzhaften historischen Rückschritt. Präsident aller Polen, wie sein am gesellschaftlichen Konsens interessierter Vorgänger Aleksander Kwasniewski, wird Kaczynski wohl niemals werden: Mit patriotischem Pathos allein dürfte der neue Präsident die Sympathien der restlichen Polen kaum gewinnen können.

Nach dem Sieg von Lechs Zwilling Jaroslaw bei den Parlamentswahlen vor wenigen Wochen werden nun diese beiden das politische Geschehen bestimmen, nicht die Rechtsliberalen von der PO. Die zweifache Wahlschlappe wird das Gewicht der mit der deutschen CDU verbandelten PO in der künftigen Koalition weiter schrumpfen lassen. Während die nationalkonservative PiS der beiden Kaczynskis nach der im Wahlkampf erprobten Zweckallianz mit den Populisten über eine reale Macht-Alternative verfügt, dürfte die PO als Juniorpartner einer schwarz-schwarzen Koalition unter innerparteilichen Druck geraten.

Für die rechtsliberale PO und ihren Präsidentschaftskandidaten Donald Tusk hat es sich nicht nur als Fehler erwiesen, dass sie die Landbevölkerung bei ihrem vor allem über die Medien geführten Wahlkampf vernachlässigt haben. Statt sich in der Opposition von den Parlaments-Kapriolen der PiS klar abzugrenzen, machte die PO nicht nur bei der Rabaukenresolution zur Einforderung angeblich ausstehender Kriegsreparationen von Deutschland mit den Kazcynskis gemeinsame Sache. Mit dem Schlagwort „Nizza oder der Tod“ versuchte die eigentlich pro-europäische PO, sich beim Streit um die EU-Verfassung gar als patriotischer Vaterlandsverteidiger zu profilieren. Doch im Zweifelsfall entscheidet sich der Wähler für das glaubwürdigere Original.

Nicht nur die Unsicherheit über die Stabilität der neuen Regierung lässt die europäischen Partner mit Sorge nach Warschau blicken. Auch positive außenpolitische Initiativen sind von dem ehemaligen Walesa-Vertrauten Lech Kaczynski in dem sensiblen Verhältnis zu den Nachbarn und einstigen Kriegsgegnern Deutschland und Russland kaum zu erwarten. Noch am Wahlabend bezeichnete Kaczynski die geplante deutsch-russische Ölpipeline unter Umgehung Polens als „sehr ernstes Problem“.

Verstärkt will Kaczynski die traditionell guten Kontakte zu Washington pflegen – und in Europa auf die nationalen Interessen pochen. Welche Rolle Warschau in der Europäischen Union künftig spielt, muss sich noch erweisen. Ein allzu schroffes Auftreten gegenüber den Partnern könnte sich für Polen jedoch als Bumerang erweisen. Denn auf deren Solidarität und Verständnis bleibt das größte Neumitglied nach wie vor angewiesen.

In der Vergangenheit hat sich Polen trotz mancher innenpolitischer Turbulenzen schließlich stets als verlässlicher europäischer Partner erwiesen. Gut wären die EU-Nachbarn darum beraten, den neuen Machthabern an der Weichsel trotz mancher Skepsis mit der gebotenen Offenheit zu begegnen. Denn Polen wird den Geist Europas in den nächsten Jahren mehr als je zuvor benötigen.

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