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Politik: Nur im Gleichschritt

Raus aus Afghanistan – ganz einfach geht das nicht Denn die Aktionen müssen abgestimmt werden.

Von Michael Schmidt

Berlin - Was haben der US-Präsident, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und der Verteidigungsminister im Bendlerblock gemeinsam? Sie warnen vor falschen Hoffnungen, die mit der Debatte über einen beschleunigten Abzug der internationalen Truppen vom Hindukusch verbunden sein könnten.

Barack Obama sieht die Gefahr eines „Wettlaufs zum Ausgang“, mit unabsehbaren Folgen für die Sicherheitslage in Afghanistan. SPD-Fraktionsvize Gernot Erler bedient sich eines ähnlichen Sprachbildes, wenn er vor einem „Wettrennen um den schnellsten Abzugstermin“ warnt. Und Thomas de Maizière wehrt Rückzugs-Begehrlichkeiten mit dem Hinweis ab, es seien viele Faktoren zu berücksichtigen: „Wir sind nicht allein auf der Welt.“

Entscheidend bei der Gestaltung des deutschen Abzugs aus Afghanistan sind dem Minister zufolge vor allem die Pläne der US-Verbündeten, auf deren Geräte und Fähigkeiten auch die Bundeswehr in Teilen angewiesen ist. Deutschland müsse sich zudem mit den 17 anderen Nationen absprechen, die unter deutscher Führung im Regionalkommando Nord (RC North) zusammen mit der Bundeswehr für Sicherheit sorgten. Hinzu kämen weitere Nationen, die ihren Truppenabzug durch das Gebiet des RC North organisieren wollten. Man sei gemeinsam reingegangen und wolle gemeinsam wieder rausgehen. Koordiniert, abgestimmt, in Abhängigkeit von der Situation vor Ort im jeweiligen Distrikt, der jeweiligen Provinz.

Einer Umfrage zufolge wünschen sich 57 Prozent der Deutschen einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan vor 2014. 26 Prozent halten das Jahr 2014 für einen geeigneten Zeitpunkt und zwölf Prozent meinen, dass die Bundeswehr erst später Afghanistan verlassen sollte.

Forderungen nach einem Sofortabzug begegnet die Bundeswehr mit dem Hinweis auf die „gewaltige planerische und logistische Herausforderung“, die ein Abzug darstelle. Was ist damit gemeint?

Je nach Größe und Umfang umfasse der „Planungshorizont“ für die Räumung zum Beispiel eines Lagers acht bis zwölf Monate, sagt der Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam, Jörg Langer. In einem ersten Schritt müsse geklärt werden, was vor-, was nachrangig sei, was kurz-, was mittel- und was langfristig zu geschehen habe.

Dabei geht es um Fragen wie: Welches Material lohnt sich gar nicht mehr wieder mit nach Hause zu nehmen, weil die Transportkosten den Wert beispielsweise eines lange Jahre im Einsatz verbrauchten Fahrzeugs übersteigen? Welches Material wird möglicherweise von den Afghanen übernommen? Und was wird in welcher Reihenfolge abtransportiert? „Dabei ist zu bedenken, was bis zum Schluss gebraucht wird: Essen, Trinken, Transportfähigkeiten, medizinische Versorgung braucht es bis zum letzten Tag“, sagt Langer.

Wenn dann feststeht, ab wann was verzichtbar ist, müssen Transportfahrzeuge angemietet, Container bahn- oder schiffstransportfertig gemacht, zum Hafen gefahren und auf Schiffe, oder zum Bahnhof und auf Züge verladen werden. Überlandtransporte per Lkw sind zwar „zehnmal billiger als der Lufttransport“, wie Langer sagt. Aber es braucht Genehmigungen aus allen durchfahrenen Staaten. Waffen und Munition müssen als Gefahrgut deklariert werden und unterliegen entsprechend strengeren Auflagen. Zudem steht Deutschland als „lead nation“ in der Verantwortung: Die Bundeswehr betreibt das zentrale Lager Camp Marmal in Masar-i-Sharif. Wer ausfliegen will, kann das nur über den hiesigen Flugplatz und nur mit Hilfe deutscher Belader tun. „Und das wird bis zum Schluss so sein“, sagt Langer.

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