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Politik: Nur keine Verfolger

Zögern die Sahara-Entführer, weil sie Angriffe fürchten?

Noch sind die Geiseln in der Sahara nicht frei. Und noch kann sich das Blatt wenden. Die Entführer der 14 europäischen Sahara-Touristen, die der islamistischen „Gruppe für Predigt und Kampf“ (GSPC) angehören sollen, wollen sich nach Angaben aus Vermittlerkreisen dagegen absichern, dass sie nach der Freilassung ihrer Geiseln angegriffen oder verfolgt werden. Dies könnte die Rettung der Gefangenen verzögern. Auch wird nicht ausgeschlossen, dass die Kidnapper zunächst nur einen Teil der Geiseln freilassen und eine zweite Gruppe als „Schutzschild“ benutzen, um ihre Flucht zu decken. Die GSPC und andere islamistische Extremistengruppen sollen über mehrere Basen und auch starken Rückhalt im Norden Malis verfügen. Auffällig ist, dass Algerien in den letzten Tagen sehr starke Militäreinheiten an der Grenze zu Mali zusammenzog. Auch soll es Gefechte zwischen algerischen Soldaten und bewaffneten Islamisten an der Grenze gegeben haben.

In den letzten Tagen hatten sich in Bamako die Signale gemehrt, dass eine entscheidende Entwicklung im Geiseldrama bevorsteht. Deutschlands Geiselbeauftragter, Staatssekretär Jürgen Chrobog, hatte sich am Donnerstag nach Verhandlungen mit der malischen Regierung in Bamako erstmals optimistisch und „zuversichtlich“ über eine baldige Freilassung geäußert. Auch in informellen Gesprächen mit Diplomaten ist von „großer Hoffnung“ die Rede. Auf dem Köln/Bonner Flughafen wartet ein „fliegendes Lazarett“ der Bundeswehr auf seinen Einsatzbefehl Richtung Mali. In dem nordwestafrikanischen Land wurden ebenfalls Vorkehrungen getroffen, um die Geiseln nach ihrer möglichen Freilassung schnell medizinisch versorgen und in die Heimat fliegen zu können.

Doch schon nachdem im Mai in Algerien eine erste Gruppe entführter Touristen gerettet werden konnte, hatte es Gerüchte gegeben, die übrigen Geiseln könnten bald freikommen. Es wurde über eine zweite Befreiungsaktion spekuliert. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen lief diese zweite Rettungsaktion jedoch schief, der Kontakt mit den Kidnappern brach ab, den Geiselgangstern gelang mit ihren verbleibenden Opfern die Flucht in den Norden Malis.

Eine der Geiseln dieser zweiten Gruppe, die 46-jährige Augsburgerin Michaela Spitzer, überlebte die Strapazen in der Wüste nicht. Sie starb bereits Ende Juni.

Dass sich diesmal sogar der deutsche Verhandlungsführer Jürgen Chrobog optimistisch äußert, deutet darauf hin, dass nun tatsächlich eine entscheidende Wende im Geiseldrama bevorsteht. Die Bundesregierung hatte bisher ebenso wie die anderen beteiligten Staaten, die Schweiz und die Niederlande, zu den Verhandlungen öffentlich nicht Stellung genommen.

Ralph Schulze[Madrid]

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