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US-Präsident Barack Obama wirkt in der Krim-Krise etwas ratlos.

© Reuters

Obama in der Krim-Krise: Präsident Ratlos

Barack Obama macht sich mit seinen Drohungen gegen Russland unglaubwürdig. Er hat kaum Handlungsoptionen und zugleich braucht er den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei den Gesprächen mit dem Iran und Syrien.

August 2013: US-Präsident Barack Obama sagt ein bilaterales Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau ab. Es gebe nicht genug Fortschritte in den beidseitigen Beziehungen für einen russisch-amerikanischen Gipfel, verlautbarte das Weiße Haus. Washington will damit Druck auf Moskau ausüben, den Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden auszuliefern. Snowden lebt noch immer in Russland.

September 2013: Die Weltgemeinschaft hat den Beweis dafür, dass das Assad-Regime in Syrien Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat. Barack Obama hatte das im August 2012 bereits als „rote Linie“ bezeichnet. Assad überschreitet sie und die Welt beobachtet einen handlungsunfähigen US-Präsidenten, der zwar dem Morden nicht reaktionslos zusehen kann, zugleich aber nicht militärisch angreifen will.

März 2014: Der russische Präsident Wladimir Putin lässt nach dem Umsturz in der Ukraine bewaffnete Einheiten auf der Krim-Halbinsel einfallen und US-Päsident Obama warnt Putin, Russland werde dafür einen Preis zahlen müssen. Bislang besteht der Preis darin, dass die G7 die Vorbereitungen für den G8-Gipfel im Sommer in Sotchi ausgesetzt haben.

Obamas Drohungen stehen in keinem Verhältnis zu seinen Handlungsoptionen

Jedes mal, spottete am Sonntag der republikanische Senator Lindsey Graham, wenn der Präsident im nationalen Fernsehen auftrete und Putin oder jemandem wie Putin drohe, „rollen alle mit den Augen“. „Nummer 1“, sagte Graham an die Adresse Obamas, „lass es, im Fernsehen Gangstern oder Diktatoren zu drohen. Das ist nicht Dein stärkster Auftritt“.

Wieder einmal macht der amerikanische Präsident den Eindruck, im Kern ratlos zu sein. Einmal mehr droht Barack Obama ausgerechnet dem russischen Präsidenten mit gravierenden Konsequenzen. Diese Drohung jedoch steht in keinem Verhältnis zu seinen wahren Handlungsoptionen. Obama scheint den Spagat zwischen seinen hohen politischen Ansprüchen und den Realitäten der Weltpolitik ein weiteres Mal schlecht eingeschätzt zu haben. Die Glaubwürdigkeit des amerikanischen Präsidenten in der Außenpolitik ist erheblich beschädigt. Ein Rezept gegen Wladimir Putin ist von Barack Obama nicht zu erwarten.

Im amerikanischen Kongress werden längst Stimmen laut, energischer gegen Russland vorzugehen. Graham, sein einflussreicher Senatskollege John McCain, aber auch demokratische Kongressleute wollen Sanktionen gegen Moskau auf die Tagesordnung setzen. Es müsste mehr vom Weißen Haus kommen als leere Drohungen. Graham, nannte Obama „weich und unentschieden“.

Verhandlungen zum internationalen Energiemarkt abgesagt

Nachdem der amerikanische Geheimdienst am Sonntag gemeldet hatte, dass Russland mit insgesamt 6000 Soldaten die komplette Kontrolle über die Krim übernommen habe und Russland dort eine Invasionsarmee aufbaue, bestand die Drohkulisse des Weißen Hauses jedoch allein darin „ökonomische und politische Kosten“ für Russland zu betonen. „Die Russen haben sich böse verkalkuliert“, sagte ein hoher US-Regierungsmitarbeiter am Sonntag. Russland sei ökonomisch verletzbar, der russische Rubel bereits um 8,3 Prozent gefallen. Neben den eingestellten Vorbereitungen der G7 für den geplanten Gipfel, habe man auch einen russischen Besuch im Zusammenhang mit Verhandlungen zum internationalen Energiemarkt abgesagt. Russland habe aber großes Interesse an Handelsbeziehungen mit den USA, all das werde man auf Eis legen.

Putin könnte sich alsbald eingefrorenem russischen Geschäftsvermögen gegenüber sehen, warnte auch US-Außenminister John Kerry am Sonntag, die Regierung hatte sich den ganzen Tag fortlaufend beraten. Amerikanische Unternehmen könnten sich zurückziehen, „und es könnte noch mehr Probleme für den Rubel geben“, warnte der Außenminister. „Das ist ein hoher Preis“, sagte  Kerry, den Putin dann zahlen müsse.

Man habe kein Interesse an einer militärischen Eskalation

Die US-Regierung kennt dabei allerdings eine genaue Grenze, über die der Preis auf beiden Seiten nicht steigen darf. Obwohl Kerry in Fernsehinterviews am Sonntag gesagt hatte, alle Optionen lägen auf dem Tisch, beeilte man sich von Seiten der US-Administration, diese uneindeutige Aussage schnell wieder einzufangen. Man habe kein Interesse an einer militärischen Eskalation, hieß es aus dem Weißen Haus. Es gehe um diplomatische Prozesse. Putin selbst, sagte der hohe  Regierungsbeamte, habe gegenüber dem Vorschlag, eine neutrale Mission zwischen russische und ukrainische Truppen zu stellen, „die Tür nicht zugeschlagen“.

So sehr Washington droht, so wenig hat die Regierung von Barack Obama eigentlich in der Hand. Darüber sind sich auch Experten und Kommentatoren in der amerikanischen Hauptstadt weitgehend einig. Denn die US-Regierung selbst hat ein Interesse daran, dass Wladimir Putin bei Themen von vermutlich größerer Bedeutung als die der Situation auf der Krim an der Seite der Amerikaner bleibt. Sowohl in den P5+1-Verhandlungen mit dem Iran, als auch beim Ringen um eine Zukunft Syriens ohne Chemiewaffen sind die USA auf Russlands Mitwirken angewiesen. Auch in dieser Frage betont die US-Regierung zwar, Russland habe mindestens ein ebenso großes Interesse, beim Iran wie bei Syrien gemeinsam zu handeln. „Russland nimmt ja an den P5+1-Verhandlungen nicht den USA zuliebe teil“, heißt es aus dem Außenministerium. Es klingt aber eher wie eine Beschwörung denn eine Überzeugung.

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