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US-Präsident Barack Obama warnt vor der Gefahr des nuklearen Terrorismus.

© Jonathan Ernst/REUTERS

Obamas Nukleargipfel: Nuklearer Terror ist die drängendste Gefahr

China und Russland sind nicht die größte Sorge beim Nukleargipfel. Die drängendste Bedrohung ist radioaktives Material in Händen von Terroristen. Wie groß ist die Chance auf Global Zero? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Barack Obama hatte einst das Ziel einer atomwaffenfreien Welt verkündet. Guido Westerwelle wollte als Außenminister alle Atomwaffen aus Deutschland verbannen. Hans-Dietrich Genscher unterstützte beide Forderungen – als er nicht mehr Minister war. Im Amt hatte er der verhandelten Abrüstung den Vorzug gegeben: Reduzierung im selben Maß wie der Gegner.

Deutschland nimmt Abschied von Westerwelle und Genscher, Obama von Global Zero. Zu Obamas viertem und letztem Nukleargipfel, dessen Ziel die Reduzierung spaltbaren Materials ist, brachte Chinas Präsident Xi ein besonderes Gastgeschenk mit: neue Interkontinentalraketen, die jeden Punkt in den USA erreichen. Zuvor hatte Obama die Verlegung einer Panzerbrigade nach Mitteleuropa angekündigt, zum Schutz gegen Russland – auch da fehlen Abrüstungssignale.

Chinas Raketen und Moskaus aggressive Nachbarschaftspolitik sind nicht die größte Sorge der mehr als 50 Staats- und Regierungschefs beim Gipfel. Priorität haben Vorkehrungen, damit spaltbares Material nicht in Terrorhände gelangt. Das Fernziel Global Zero hilft da weniger als Reduzierung und sichere Verwahrung.

Die Welt der Atomkontrolle wird widersprüchlicher und unübersichtlicher – auch wegen der Ungleichzeitigkeit der Entwicklungen in verschiedenen Regionen und bei diversen Akteuren. Die klassischen Atommächte bauen Nuklearwaffen zur Abschreckung, nicht zum Einsatz. Der IS möchte damit töten. Je mehr Sprengköpfe es gibt, desto höher das Risiko des Missbrauchs. Abrüstung muss das Ziel bleiben. Mit Russland hatte Obama 2010 die Verschrottung eines Drittels der strategischen Atomwaffen vereinbart. Generell reduzieren westliche Nuklearmächte ihr Potenzial. China ist die Ausnahme unter den Großen.

Der Atomdeal mit Iran hat das Prinzip weiter ausgehöhlt

Größer ist die Gefahr durch Weiterverbreitung von Atomwaffen. Sie kann zu einem Wettrüsten führen. Indien und Pakistan sind das abschreckende Beispiel. Nordkoreas Atomprogramm lässt Japan über nukleare Bewaffnung nachdenken, Irans Ehrgeiz ermuntert die Saudis. Das internationale Vertragswerk zur „Non Proliferation“ wackelt. Der Atomdeal mit dem Iran war pragmatisch richtig, hat aber das Prinzip weiter ausgehöhlt.

Die dritte Bedrohung ist jedoch die drängendste: radioaktives Material in den Händen von Terroristen. Das Risiko, dass sie Sprengköpfe aus hoch gesicherten Militäranlagen entwenden, ist begrenzt. Leichter könnten sie an Material aus zivilen Einrichtungen gelangen oder diese sprengen: Forschungsreaktoren, Kernkraftwerke, Entsorgungsanlagen. Die IS-Terroristen in Belgien hatten sich entsprechende Lagepläne besorgt.

Obamas Gipfel-Ziele: erstens hoch angereichertes Material minimieren; die Reaktoren der US-Kriegsschiffe werden in der Hoffnung auf Nachahmer auf niedrig angereicherten Stoff umgerüstet. Zweitens spaltbares Material generell reduzieren, militärisch wie zivil, durch Abrüstung und Modernisierung. Drittens verbrauchtes Material verlässlich vernichten; das geschieht im Westen, weniger in Russland und China. Viertens den Zugriff erschweren. Je rascher dieser Plan Erfolg hat, desto größer die Chance, dass Global Zero doch noch ein Ziel für alle wird.

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