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Österreich: Ab durch die Mitte

Österreichs Volkspartei stellt einen neuen Mann an die Spitze und öffnet sich für eine große Koalition.

Der Wahlerfolg der beiden Rechtsparteien bei der Nationalratswahl in Österreich hat die politische Landschaft in der Alpenrepublik erschüttert. Die beiden Volksparteien SPÖ und ÖVP haben massiv verloren und wurden mit 29,7 und 25,6 Prozent zu Mittelparteien degradiert. Die Grünen fielen von Platz drei auf Platz fünf der Wählergunst zurück, dafür haben die beiden rechtspopulistischen Parteien von FPÖ und BZÖ gewaltig zugelegt. Die FPÖ liegt laut dem vorläufigen Endergebnis bei 18,1 Prozent, das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) von Jörg Haider, das vor zwei Jahren nur knapp den Einzug in den Nationalrat geschafft hatte, liegt nun bei elf Prozent – und damit deutlich vor den Grünen.

Am Montagabend hat die konservative Volkspartei reagiert. Mit einem Minus von fast neun Prozentpunkten hatte sie bei der Wahl ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren. Im Parteivorstand musste deswegen der ÖVP-Parteichef und Spitzenkandidat Wilhelm Molterer den Hut nehmen. Auch sein Bundesgeschäftsführer wurde am Montagabend verabschiedet. Sogar Wolfgang Schüssel, der 2006 als Kanzler abgewählt wurde, in der Volkspartei aber immer noch als Klubchef die graue Eminenz gab, wurde von den mächtigen Landeshauptleuten nun tatsächlich aufs Altenteil geschickt.

Für die ÖVP soll nun der smarte Landwirtschaftsminister Josef Pröll in die Bresche springen. Der 40-Jährige galt schon länger als logischer Nachfolger Molterers – und er darf auch als Zeichen eines personellen Neuanfangs gelten. Genauso wie sein SPÖ-Pendant Werner Faymann gilt Pröll als ausgesprochen konsensorientiert. Er ist wie Faymann kein Ideologe, sondern eher ein Pragmatiker der Macht. Genauso wie Faymann verfügt er über beste Kontakte zu den Medienmachern des Landes. Und er hat eine starke Hausmacht im ÖVP-Netzwerk. Sein Onkel ist Landeshauptmann und Parteichef in der ÖVP-Hochburg Niederösterreich, jenem Bundesland, das bei Wahlen traditionell die meisten ÖVP-Stimmen einbringt.

Die niederösterreichische Volkspartei wiederum ist engstens mit dem Raiffeisen-Konzern verknüpft – und der spielt allein schon finanziell in ÖVP-Belangen eine große Rolle. Sowohl Raiffeisen als auch die Niederösterreicher wollten nun ihren Mann an die Parteispitze heben. Angesichts der Wahlniederlage gab es dagegen offenbar wenig Widerstände. Dass Pröll nun die ÖVP übernimmt, ist möglicherweise auch ein starkes Zeichen dafür, wohin die Reise bei der Regierungsbildung gehen dürfte. Sowohl die niederösterreichische Volkspartei als auch der Raiffeisen-Sektor gelten als die lautesten Befürworter einer großen Koalition – selbst dann, wenn die ÖVP darin nur den Juniorpartner abgibt.

Auch Neffe Josef Pröll hat sich bereits mehrmals als Großkoalitionär geoutet – die rechnerisch durchaus mögliche Dreierkoalition mit den rechtspopulistischen Wahlsiegern von FPÖ und BZÖ ist dagegen nicht seine Sache. Er hatte schon bisher gemeinsam mit Faymann auf der zweiten Ebene die Regierungspolitik bestimmt, indem er als sogenannter Regierungskoordinator die Vernetzung zwischen den einzelnen Ressorts versucht hat. Dass er dies nun auch mit dem Titel eines Vizekanzlers unternehmen wird, scheint nur logisch zu sein.

Und so könnte es trotz des desaströsen Wahlergebnisses für die beiden vormaligen Großparteien dieses Mal in Österreich mit der Regierungsbildung vielleicht doch schneller gehen – denn auch Faymann hat bislang als Koalitionspräferenz immer eine Regierung mit der ÖVP angegeben. Seine einzige Bedingung: Wolfgang Schüssel und Wilhelm Molterer dürften darin keine Rolle mehr spielen. Seit Montagabend ist das nun auch tatsächlich so.

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