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Österreich: Das Mädchen und der Minister

Arigona Zogaj ist verschwunden, einfach untergetaucht. Das 15-jährige Mädchen will sich gegen ihre Abschiebung aus Österreich in das Kosovo wehren und wühlt damit eine ganze Nation auf.

Berlin - Seit Tagen berichten österreichische Medien über ihr Schicksal, und so langsam beginnt das Familiendrama zu einem nationalen Problem zu werden. Vor allem für Innenminister Günther Platter, der seit einigen Wochen versucht, Österreichs Asylpolitik mit harter Hand durchzusetzen. Der konservative ÖVP-Politiker lässt derzeit verstärkt Flüchtlingsfamilien aus der Krisenregion zurückfliegen. Doch die Abschiebungen laufen nicht still und geordnet ab, sondern haben eine Solidarisierungswelle ausgelöst.

An mehreren Demonstrationen nahmen nicht nur Bürger aus den betroffenen Orten teil, sondern auch Prominente und Politiker von ÖVP, SPÖ und den Grünen. Die Frage, die viele Bürger in Internetforen und Leserbriefen bewegt, heißt: Wo ist Recht und wo Gerechtigkeit? Sie empfinden es als ungerecht, wenn Familien abgeschoben werden, die sich integriert haben.

Für Aufsehen sorgte der Fall einer Familie aus Peggau in der Steiermark. Prenke Milici, seine Ehefrau und die sechs Kinder wurden per Charterflug nach Pristina zurückgebracht. Die Familie hatte sich in die ländliche Gemeinde integriert und genoss hohes Ansehen. Kaum einer im Ort kann die Abschiebung verstehen. Selbst der steirische Landeshauptmann Franz Voves (ÖVP) kritisiert die Politik aus Wien: „Wir wollen uns nichts von der Bundesregierung diktieren lassen und fordern das Selbstbestimmungsrecht der Länder bei der Vergabe des Rechts auf humanitären Aufenthalt.“

Noch dramatischer ist der Fall Zogaj aus Frankenburg in Oberösterreich. Die älteste Tochter Arigona versteckt sich seit fast zwei Wochen und drohte in einem Brief mit Selbstmord, falls ihre Familie abgeschoben werde. Während der Vater und die vier Geschwister bereits zurück im Kosovo sind, liegt die Mutter nach einem Nervenzusammenbruch im Krankenhaus. Ihr gewährte Platter ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht, um die Tochter zu suchen. Doch die bleibt verschwunden. In einer Videobotschaft wandte sich die 15-Jährige nun an Platter und betonte, sie werde so lange versteckt bleiben, bis ihre Familie zurückkehren dürfe. Ihre Selbstmorddrohung erneuerte sie noch einmal. Platter lehnt es jedoch strikt ab, vor dem „Erpressungsversuch“ wie er es nennt, „in die Knie“ zu gehen. Der Innenminister hatte vorher an die junge Frau appelliert, aus ihrem Versteck zu kommen. Doch dieser Aufforderung entgegnete Zogaj im Video: „Ich vertraue Herrn Platter nicht. Ich habe Angst, dass ich abgeschoben werde.“ Eines hat Arigona Zogaj aber ungewollt erreicht. Sie hat den Kosovokonflikt wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt.

Ingo Wolff

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