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Die Proteste von Flüchtlingen häufen sich: Wie diese Asylbewerber in Stuttgart hatten auch die Wiener Flüchtlinge gegen ihre Lebensbedingungen protestiert.

© dpa

Österreich: Wien schiebt protestierende Asylbewerber ab

Auch in Wien haben Flüchtlinge protestiert und traten in Hungerstreik. Jetzt wurden einige von ihnen nach Pakistan abgeschoben. Kritiker vermuten, dass die Innenministerin damit im Wahlkampf Härte zeigen will.

Sie haben mitten im Winter monatelang in Zelten und in einer eiskalten Kirche übernachtet, waren wochenlang im Hungerstreik. Geholfen hat das alles nichts: Die ersten der sogenannten Votivkirchen-Flüchtlinge sind vor wenigen Tagen nach Pakistan abgeschoben worden, andere sollen folgen.

Wie in den großen deutschen Städten haben Asylbewerber auch in Wien in den letzten Monaten erstmals in großem Stil öffentlich aufbegehrt; wie in Deutschland polarisiert ihr Protest auch in Österreich.

Begonnen hat alles Ende November, als mehrere hundert Asylbewerber gemeinsam mit Unterstützern von Österreichs größtem Flüchtlingslager Traiskirchen ins 35 Kilometer entfernte Wien marschierten. Im Park vor der Votivkirche im Zentrum Wiens errichteten sie ein Zeltlager, drei Wochen später siedelten einige von ihnen in die Kirche über, bald darauf räumte die Polizei das Zeltlager um vier Uhr früh mit Baggern. Da hatten einige Flüchtlinge bereits mit einem Hungerstreik begonnen, den sie – mit zehn Tagen Unterbrechung – fast zwei Monate lang durchhielten.

Wer Mitte Januar die Votivkirche betrat, fand auf einem  Matratzenlager aus gespendeten Decken und Schlafsäcken abgemagerte Flüchtlinge vor, die mit dünnen Stimmen forderten, legal in Österreich leben und arbeiten zu dürfen. Etwa 50 Männer , großteils Afghanen und Pakistanis, lebten zu diesem Zeitpunkt in der Kirche, die meisten hatten bereits negative Asylbescheide erhalten. Die katholische Hilfsorganisation Caritas sowie eine Reihe linker Aktivisten unterstützten sie.

Erst nach langen Verhandlungen ließen sich die Flüchtlinge überreden, ins leerstehende Servitenkloster umzuziehen, wo ihnen der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn eine sichere Unterkunft versprochen hatte. Danach ebbte die öffentliche Diskussion um die Votivkirchen-Flüchtlinge ab – bis zum vergangenen Sonntag, als die Polizei einige von ihnen gegen den Widerstand der Kirche verhaftete. Die ersten wurden bereits am Montag abgeschoben.

Unterstützung für dieses Vorgehen bekommt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von ihrer eigenen Partei, der konservativen ÖVP, sowie von Teilen des sozialdemokratischen Koalitionspartners SPÖ und von der rechten FPÖ. Es gab aber auch kleinere Demonstrationen gegen die Abschiebungen; die Caritas und andere Hilfsorganisationen, die katholische Kirche sowie die Grünen und Teile der SPÖ protestierten heftig. „Die ÖVP ist moralisch verwahrlost“, sagte etwa Grünen-Chefin Eva Glawischnig der Tageszeitung „Kurier“.

Die Kritiker der Abschiebung berufen sich unter anderem darauf, dass das österreichische Außenministerium eine partielle Reisewarnung für jenes Land ausgesprochen hat, in das das Innenministerium nun abschiebt: „Die Sicherheitslage in Pakistan ist besorgniserregend. Die Gefährdung durch terroristisch motivierte Gewalttaten, vor allem Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate, ist weiterhin hoch“, heißt es auf der Website des Außenministeriums.

Die Kritiker vermuten außerdem, dass die Abschiebungen mit dem Wahlkampf für die Parlamentswahlen im September zu tun haben. Die ÖVP wolle sich – wie schon bei früheren Wahlen – als Law-and-Order-Partei positionieren und FPÖ-Wähler ansprechen, spekulieren sie. Dafür spreche auch die Tatsache, dass es im gesamten Jahr 2012 nur drei Abschiebungen nach Pakistan gab. Er mache sich „große Sorgen um das Leben der Flüchtlinge“, ließ etwa Kardinal Schönborn verlauten und fragte, „was es für diese Aktion für eine Rolle gespielt hat, dass Wahlkampfzeit ist.“ Die Abschiebungen fanden ausgerechnet zu einem Zeitpunkt statt, an dem der Kardinal, der sich für die Rechte der Flüchtlinge einsetzt, wegen des Weltjugendtags Brasilien war.

Für die nun abgeschobenen Flüchtlinge seien alle rechtlichen Möglichkeiten und Ermessensspielräume ausgeschöpft, argumentiert hingegen Innenministerin Mikl-Leitner: „Österreich ist kein Willkürstaat“, sagte sie, die anderen Parteien sollten „die Entscheidung eines unabhängigen Gerichts und eine notwendige fremdenpolizeiliche Maßnahme akzeptieren und nicht für wahltaktische Polemik am Rücken der Betroffenen missbrauchen“.

Nur einen Tag, nachdem die ersten Bewohner des Servitenklosters in Schubhaft genommen wurden, wurden drei weitere abgeholt – nicht von der Fremden-, sondern von der Kriminalpolizei. Sie nahm die drei Männer wegen des Verdachts der Schlepperei fest. Für Kritiker ist der Zeitpunkt der Festnahmen ein weiterer Hinweis darauf, dass die Innenministerin auf dem Rücken der Servitenkloster-Bewohner Wahlkampf betreibe. Die Behörden bestreiten jeglichen Zusammenhang.

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