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Offenlegungspflicht: Stufen statt Zahlen

Die Nebenverdienste der Abgeordneten sind nun veröffentlicht – aber die Regeln des Bundestags erlauben es, die exakten Einkommen zu verschleiern.

Nun gibt es sie also, die „gläsernen Abgeordneten“ – seit Donnerstag sind die Nebeneinkünfte der Mitglieder des Bundestags öffentlich. Unter jeder Abgeordnetenbiografie auf der Website des Bundestags sind sie nachzulesen. Allerdings hat die Durchsichtigkeit ihre Grenzen: Man fühlt sich eher an Milchglas erinnert als an kristalline Klarheit. Denn einen konkreten Einblick in die zusätzlichen Einkommen der Parlamentarier bekommt man nicht, wenn man sich die Biografien anschaut. Und das soll auch gar nicht so sein: Denn Sinn der Offenlegungspflicht ist es nicht, Summen im Detail zu erfahren, sondern sich anhand der Zusatzverdienste und der Art der Nebentätigkeiten einen Eindruck zu verschaffen, ob und wie ein Politiker an bestimmte Interessen gebunden ist und ob wirtschaftliche Abhängigkeiten vorhanden sein könnten. Dabei sind durchaus nicht nur die bezahlten Jobs von Interesse – auch unbezahlte und ehrenamtliche Tätigkeiten können darauf hindeuten, dass einem Abgeordneten eine bestimmte Interessengruppe oder ein bestimmtes Anliegen so nah am Herzen liegt, dass er vielleicht nicht mehr ganz so frei entscheidet, wie es das Grundgesetz vorsieht, wo vom Bundestagsmitglied verlangt wird, dass es an Aufträge und Weisungen nicht gebunden ist.

Nach den Verhaltensregeln für Abgeordnete müssen der Beruf, der direkt vor der Übernahme des Mandats ausgeübt wurde, und alle Vorstands-, Aufsichtsrats oder Beiratsposten angegeben werden – egal ob in einem Privatunternehmen oder einer öffentlichen Einrichtung. Zu letzteren können Aufgaben gehören, die im Zusammenhang mit dem politischen Mandat oder einem Posten in der Regierung gehören. Anzugeben sind auch Funktionen in Vereinen, Verbänden und Stiftungen. Wer mit mehr als 25 Prozent an einer Kapital- oder Personengesellschaft beteiligt ist, muss dies ebenfalls anzeigen.

Eine Meldepflicht gilt grundsätzlich für alle Nebeneinkünfte aus einem Beruf oder einem Beratervertrag. Bezahlte Vorträge (das kommt vor allem bei prominenteren Politikern vor), Honorare für Zeitungskolumnen oder Buchprojekte und Gutachten sind dem Bundestagspräsidenten dagegen nur zu melden, wenn sie im Einzelfall (also nicht insgesamt) über 1000 Euro im Monat oder 10 000 Euro im Jahr liegen. Liegt der Verdienst aus einer Einzeltätigkeit über diesen Grenzen, muss immer auch deren Höhe angegeben werden. Aber hier wird nun die Milchglasscheibe vorgeschoben: Nicht die exakte Höhe ist anzugeben, sondern es gibt drei Stufen. Stufe 1: Die Tätigkeit bringt 1000 bis 3500 Euro – einmalig oder im Monat. Stufe 2 heißt: 3500 bis 7000 Euro. Stufe 3: mehr als 7000 Euro.

Die konkrete Umsetzung dieses Stufensystems bei der Veröffentlichung durch den Bundestag ist zudem kompliziert und verschleiert die tatsächlichen Bezüge. Einmalige Einkünfte werden mit dem Monat verzeichnet, in dem das Geld floss. Wer – als Beispiel – jeden Monat regelmäßig 4000 Euro aus einer Tätigkeit einnimmt, wird mit „monatlich, Stufe 2“ verzeichnet. Bezieht ein Abgeordneter Einkünfte, die sich auf eine dauerhafte Jahrestätigkeit beziehen und zum Beispiel bei 30 000 Euro liegen, lautet der Eintrag „jährlich, Stufe 3“. Dagegen bedeutet „Stufe 3, jährlich“, dass regelmäßige Einkünfte von monatlich unter 1000 Euro, aber über 10 000 Euro im Jahr vorliegen. Unregelmäßige Zahlungen wiederum werden zu einer Jahressumme addiert und mit der Jahreszahl plus Stufe publik gemacht. „2006, Stufe 3“ heißt also: mindestens 7000 Euro aus einer bestimmten Einzeltätigkeit in diesem Jahr – die Summe kann natürlich weitaus höher sein.

Vertragspartner müssen nur genannt werden, wenn die Vertragssumme über 1000 Euro im Monat oder 10 000 Euro im Jahr liegt. Sie müssen nicht genannt werden, wenn eine gesetzliche oder vertragliche Verschwiegenheitspflicht gilt – weshalb Abgeordnete, die als Rechtsanwälte nebenher Mandanten betreuen, ihre Kunden nicht nennen müssen.

Zu den Kuriositäten der Regeln gehört, dass auch höchste Staatsämter als Tätigkeiten neben dem Mandat gelten: Kanzlerin, Minister und Staatssekretäre geben ihre Kabinettsposten (regelmäßig Stufe 3) an. Weitere Zusatzverdienste sind Kabinettsmitgliedern durch Artikel 66 des Grundgesetzes verboten.

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