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Die undatierte Visualisierung zeigt das geplante Olympiastadion auf dem Kleinen Grasbrook für die Olympischen Spiele 2024 in Hamburg. 

© dpa

Update

Olympia-Bewerbung für 2024: Hamburg will nicht nur die Spiele

Heute entscheidet die Bevölkerung in Hamburg und Kiel über die Olympia-Bewerbung. Politik und Medien sehen sie als eine große Chance für die nachhaltige Stadtentwicklung. Aber wie stehen die Chancen?

Dass Olympische Spiele in Deutschland stattfanden, ist nun schon 43 Jahre her, 1972 in München war das. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, zuletzt mit Leipzig und München, unternimmt der deutsche Sport jetzt einen neuen Anlauf. Ob daraus eine Bewerbung im internationalen Wettbewerb wird, entscheidet an diesem Sonntag zunächst die Bevölkerung.

In Hamburg und Kiel haben am Morgen die Abstimmungslokale zur Olympia-Bewerbung Deutschlands geöffnet. Noch bis 18.00 Uhr können die Bürger entscheiden, ob sich Deutschland für Olympische Spiele 2024 bewerben soll. Beim Referendum in Hamburg sind rund 1,3 Millionen Menschen stimmberechtigt. Beim Bürgerentscheid in Kiel, wo die Segelwettbewerbe stattfinden sollen, können fast 200.000 Menschen mitmachen. Ein vorläufiges Endergebnis wird für 22.00 Uhr erwartet. Umfragen sehen eine - allerdings inzwischen sinkende - Mehrheit für Olympia.

Worüber wird abgestimmt?

Der Text des Referendums ist einfach formuliert: „Ich bin dafür, dass sich der Deutsche Olympische Sportbund mit der Freien und Hansestadt Hamburg um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele im Jahr 2024 bewirbt.“ 1,3 Millionen Hamburger sind wahlberechtigt. Etwa 500000 haben schon per Briefwahl abgestimmt. Um die Bewerbung in die nächste Runde zu schicken, müssen zum einen 20 Prozent der Wahlberechtigten eine gültige Stimme abgegeben haben. Das ist die Grundvoraussetzung. Sie ist schon erfüllt. Jetzt müsste noch die Mehrheit der Bewerbung zustimmen. Aufregung gab es am Anfang, weil zehn Prozent der Briefwahlstimmen ungültig waren – viele hatten ihre Unterlagen falsch kuvertiert. Darauf machte der Landeswahlleiter aufmerksam, anschließend besserte sich die Quote. Parallel ist auch die Bevölkerung in Kiel zur Abstimmung aufgerufen, denn dort sollen 2024 die Segelwettbewerbe stattfinden. Eine Ablehnung in Kiel hätte allerdings überschaubare Folgen. Dann müsste sich Hamburg nur einen anderen Segelpartner suchen.

Was ist umstritten?

Wie immer vor allem die Finanzierung. Hamburg hat bislang kein Olympiagelände, nicht einmal ein Olympiastadion. Die meisten Sportstätten müssen neu gebaut werden, wenn auch manche nur temporär. Hamburg plant mit Kosten von 11,2 Milliarden Euro. 2,6 Milliarden sind für die Durchführung der Spiele eingeplant, 2,1 Milliarden für Mobilität, 1,9 Milliarden für Sportstätten, 1,6 für die „Olympic City“, also unter anderem das Olympische Dorf. Für den Hafenausbau sind 1,3 Milliarden veranschlagt, für Sportstätten außerhalb Hamburgs 941 Millionen, für Sicherheitsmaßnahmen 461 Millionen und die Segelwettbewerbe in Kiel sollen 146 Millionen kosten. „Das sind die am besten durchgerechneten Olympischen Spiele“, sagt Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz zum Finanzkonzept. Alle möglichen Preissteigerungen seien schon einkalkuliert. Doch unklar ist immer noch, wer was bezahlt.

Mehrere Tausend Menschen bildeten Anfang November mit verschiedenfarbigen Ponchos im Hamburger Stadtpark die Olympischen Ringe. Die Gegner steuerten (links) ein kleines "NO" bei.
Mehrere Tausend Menschen bildeten Anfang November mit verschiedenfarbigen Ponchos im Hamburger Stadtpark die Olympischen Ringe. Die Gegner steuerten (links) ein kleines "NO" bei.

© Daniel Bockwoldt/dpa

7,4 Milliarden sollen die Steuerzahler übernehmen. Scholz hat schon versprochen, dass Hamburg keine neuen Schulden für die Spiele aufnehmen werde, und damit den eigenen Beitrag gedeckelt. Hamburg will 1,2 Milliarden beitragen, den Rest soll der Bund beisteuern. Doch der ist bisher noch nicht einverstanden. Zwar gibt es in der Bundesregierung große Sympathien für die Hamburger Bewerbung, vor allem bei Innenminister Thomas de Maizière und Finanzminister Wolfgang Schäuble. Und erstmals ist der Bund auch mit 18 Prozent an der Bewerbungsgesellschaft beteiligt.

Doch ist die Bereitschaft begrenzt, mit Bundesmitteln die Hamburger Stadtentwicklung zu finanzieren. Denn Olympia und die Paralympics sind für Hamburg in erster Linie ein gigantisches Projekt, um die Stadt voranzubringen – und einen neuen Stadtteil zu erschließen, auf dem Kleinen Grasbrook. In den nächsten Wochen will der Bund mit Hamburg jeden einzelnen Kostenpunkt durchgehen, ob er unmittelbar mit den Spielen zusammenhängt – oder doch städtische Aufgabe ist.

Wie ist die Stimmung in Hamburg?

Auf jeden Fall anders, als sie beim gescheiterten Gegenkandidaten Berlin gewesen wäre. Insgesamt herrscht große Aufgeschlossenheit in Hamburg gegenüber den Olympischen und Paralympischen Spielen. Und Vertrauen in die Aussagen von Olaf Scholz, dass Hamburg die Spiele brauche und damit eine einmalige Chance zur Weiterentwicklung hätte.

Die politischen Parteien haben sich mit großer Mehrheit für die Spiele ausgesprochen – SPD, Grüne, CDU und FDP. Die Grünen sind der Ansicht, dass sich die Eingliederung von Flüchtlingen mithilfe des Olympiaprojekts besser gestalten lasse. Auch die Medien trommeln eifrig für Olympia. Manche haben sogar einen bestimmten Umfang an Olympiaberichterstattung zugesagt, um von der Bewerbungsgesellschaft Anzeigen zu bekommen. Aber vor allem wird die Bewerbung von viel Lokalpatriotismus gestützt. Auf der anderen Seite sind die Olympiagegner eher schwach aufgestellt.

Nachdem die olympischen Spiele in Oslo, Graubünden, München und Wien von den Bürgern aus gutem Grund gekippt wurden, sollen also jetzt die Hamburger über das Milliardengrab abstimmen.

schreibt NutzerIn Sebastian-Dobler

Welche Rolle spielt die Wirtschaft?

An der Bewerbungsgesellschaft ist auch die Hamburger Handelskammer mit einem Prozent beteiligt. Auch das ist in einer solchen Organisation in dieser Phase ungewöhnlich. Es verdeutlicht, wie viel Potenzial die Hamburger Wirtschaft in der Ausrichtung von Olympischen und Paralympischen Spielen sieht. Sollte Hamburg das eigene Referendum überstehen, wird die lokale Hamburger Wirtschaft jedoch nicht mehr ausreichen, um international zu beeindrucken. Dann muss die Bewerbungsgesellschaft auch nationale Konzerne als Partner gewinnen.

Wie sind Hamburgs Chancen für 2024?

Im September 2017 vergibt das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Lima den Zuschlag für die Spiele 2024. Hamburg hat dabei sehr starke Konkurrenz: Paris, Los Angeles, Rom und Budapest. Gerade der Mitbewerber Paris wirft auch die Frage auf, wie stark die Spiele geschützt werden müssen. Die 461 Millionen, die im Hamburger Entwurf für Sicherheit veranschlagt sind, könnten nach den Anschlägen von Paris und der Gefährdungslage noch einmal aufgestockt werden. Scholz sagte am Freitag jedenfalls: „Ich glaube, dass es Möglichkeiten gibt, Olympische Spiele und große Sportereignisse sicher zu organisieren. Der Vorteil bei Olympischen und Paralympischen Spielen ist ja, dass man sich jahrelang vorbereiten kann.“

Paris hatte schon für die Spiele 2012 ein ausgezeichnetes Konzept, wurde aber auf der Zielgeraden noch von London überholt. Für die Abstimmung wird mit entscheidend sein, ob Paris aufgrund der jüngsten Terroranschläge einen Bonus der IOC-Mitglieder bekommt oder die politische Lage eher als Risiko gesehen wird.

Hamburg würde als starker Außenseiter in den internationalen Wettbewerb gehen: Einerseits ist die Hansestadt bei den IOC-Mitgliedern bisher wenig bekannt und hat auch zu wenige sportliche Großereignisse im Kalender, um noch auf sich aufmerksam zu machen. Andererseits wird vom IOC und seinem deutschen Präsidenten Thomas Bach erwartet, sich für eine Stadt zu entscheiden, die die sogenannte Reformagenda 2020 mit Leben erfüllen kann. Als kleinere Stadt, die auf transparente, nachhaltige Spiele zugunsten von Stadtentwicklung setzt, wäre Hamburg dafür ein passender Kandidat.

Eine Unwägbarkeit besteht für Hamburg noch darin, wie sich die Olympiabewerbung mit den Plänen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) verträgt, die Europameisterschaft ebenfalls 2024 nach Deutschland zu holen. Einem Zuschlag für den DFB stand zuletzt nichts im Wege, 2018 wird entschieden. Das IOC müsste auf jeden Fall tolerieren, dass Olympia 2024 in Deutschland gleichrangig neben einer Fußball-EM stehen würde.

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