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Online-Durchsuchung: Bundestrojaner: Noch viele Fragen

Der Streit um den so genannten Bundestrojaner geht in eine neue Runde. "Wir genehmigen nichts, was wir nicht verstehen," sagt die SPD. "Blockade!", ruft die Union.

Seit Monaten beharken sich Union und SPD über den Plan von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, mit Hilfe eingeschleuster Programme auf die Festplatten heimischer Computer von Verdächtigen zugreifen zu können - ohne deren Wissen. Ein Papier aus seinem Ministerium sorgt nun für neuen Zündstoff in der großen Koalition. "Man versucht uns abzuspeisen", sagte Klaus-Uwe Benneter, Mitglied im Innenausschuss des Bundestages dem Internet-Portal "Zeit online".

Der SPD-Abgeordnete ist verärgert über die Antworten, die das Innenministerium den Parlamentariern zum Thema "Bundestrojaner" und Onlinedurchsuchungen gab. Er ist damit nicht allein. Auch der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, verlangt von Schäubles Ministerium weitere Aufklärung über die angeblich fertigen Programme.

Innen- und Justizministerium verständigen sich noch

Insgesamt 86 Fragen, gestellt vom Justizministerium und von der Arbeitsgruppe Neue Medien der SPD-Fraktion im Bundestag, hatte das Ministerium beantwortet. Gut informiert jedoch fühlen sich - abgesehen von der Union - die Abgeordneten nicht. "Wir sind mit den Antworten mehr als unzufrieden. Sie erhellen nichts", sagt Benneter. Das Justizministerium möchte derzeit nicht sagen, ob es sich informiert fühlt. Beide Häuser würden sich noch darüber verständigen, daher wäre es im Moment "nicht zielführend" darüber zu reden, sagt ein Sprecher.

Die SPD-Abgeordneten und das Ministerium hatten wissen wollen, wie genau die vom BKA als fast fertig gemeldete Software für die Onlinedurchsuchung funktioniert. Erfahren haben sie wohl nicht allzu viel. So heißt es in dem Schreiben des Innenministeriums beispielsweise auf die Frage, wie das Programm und seine Übertragung gefundener Daten technisch realisiert werden soll: "Die Zugriffsmöglichkeit auf das Zielsystem wird durch das Aufspielen der RFS (Remote Forensic Software - ferngesteuertes Untersuchungsprogramm) eröffnet. Die Datenübertragung erfolgt auf verschlüsseltem Wege." Hinter dem Begriff RFS verbirgt sich der sogenannte Bundestrojaner, der es ermöglichen soll, via Internet auf die Rechner Verdächtiger zuzugreifen und die dort gespeicherten und eingegebenen Daten zu kopieren.

Für Aufregung hatten Meldungen gesorgt, dass diese staatlichen Hacker-Programme auch mit Hilfe falscher Behörden-E-Mails verschickt werden sollen. In dem Papier aus dem Innenministerium heißt es dazu, es gebe eine Vielzahl von "Einbringungsmöglichkeiten". Eine genaue Aussage dazu sei nicht möglich, da sie vom Einzelfall abhingen.

Unklarheit über die Kosten

Ähnlich sind die Antworten zu den Kosten. Bisherige Schätzungen des BKA hatten als Kosten pro Einsatz ungefähr 200.000 Euro genannt. In dem Antwortschreiben heißt es nun, man könne sie nicht beziffern. In der SPD ist man misstrauisch und fürchtet, dort würden bewusst immer "die gesamten Entwicklungskosten aufgerechnet". Nicht aber, was der Einsatz kostet, wenn er massenweise erfolgt. Daher ist man auch skeptisch, dass die Software aufgrund des hohen Aufwandes tatsächlich nur in wenigen Fällen pro Jahr eingesetzt werden soll, wie es das BKA behauptet.

Mehrfach versichert das Innenministerium, die Spähsoftware sei verschlüsselt, nicht rückverfolgbar, nicht manipulierbar, nicht analysierbar und lösche sich bei Problemen selbst. Ihr Einsatz werde lückenlos protokolliert, die gewonnenen Daten würden mehrfach gesichert, sodass sie Beweiskraft hätten. Dazu werde man außerdem den Quellcode der RFS bei dem Richter hinterlegen, der die Maßnahme erlaubt hat. Dieser könne sich ja gegebenenfalls unabhängigen Sachverstandes bedienen, um die Fähigkeiten des Codes zu beurteilen.

SPD: "Wir wollen einen Prototypen in Aktion sehen"

Die SPD-Abgeordneten schenken diesen Behauptungen des Ministeriums nicht ohne weiteres Glauben. "Wir wollen wissen, wie man sich einen Verdächtigen, gegen den damit ermittelt wird, vorstellen muss", sagte Benneter. "Und wir wollen einen Prototypen in Aktion sehen." Denn bisher hätten sich mehr neue Fragen als befriedigende Antworten ergeben.

Die SPD und das von ihr geführte Justizministerium weigern sich, gesetzliche Grundlagen für die Onlinedurchsuchung zu schaffen, bevor nicht klar ist, "wie das Fahrzeug aussieht, für das wir die Straßenverkehrsordnung ändern sollen", wie Benneter sagt. Genau um diesen gesetzlichen Rahmen soll es in einer dritten Sitzung der beteiligten Ministerien und Gremien heute gehen.

Bosbach: "Die SPD wird nie zufrieden sein"

In der Union erwartet man von dieser Sitzung nichts und fühlt sich ebenfalls verschaukelt - jedoch nicht vom Innenministerium, sondern vom Koalitionspartner. "Das BKA kann antworten, was es will, die SPD wird nie zufrieden sein", sagte Fraktionsvizechef Wolfgang Bosbach. Er zeigte sich überzeugt, dass die Ermittler das Instrument brauchen. Das wisse auch die SPD.

Dort sieht man das jedoch anders. Denn genau diesen Punkt, ob die Ermittler die Möglichkeit der Onlinedurchsuchung wirklich benötigen, möchte Benneter zunächst geklärt wissen. Zwar sei immer vom internationalen Terrorismus die Rede, doch wirkten die bisherigen Antworten eher so, als könne man mit der Software nur "virtuelle Eierdiebe" fangen. "Und wenn es denn nur das letzte Mittel ist, wie immer behauptet wird, stellt sich doch die Frage, ob Kosten und Nutzen überhaupt im Einklang stehen."

Die SPD-Fraktion halte den Betrieb nur auf, weil sie nicht wisse, was sie wolle, sagt dagegen Bosbach. "Die Kernfrage ist, ob es für Terrorverdächtige einen staatsfreien Raum geben soll. Das ist die Frage, die die SPD nicht beantworten will."

Die SPD sieht sich jedoch nicht als Blockierer. Sie will zuerst einmal auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts warten. Das befasst sich im Frühjahr 2008 mit dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz, in dem Onlinedurchsuchungen erlaubt sind. Auch danach müsse man aber die Software erst im Einsatz sehen. "Wir müssen das verstehen", sagt Innenexperte Wiefelspütz.

Mit freundlicher Genehmigung von Zeit online.

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