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Politik: Opium für die Kriegsmaschine

Von Elke Windisch, Kabul Der Bauer Nur Pascha aus Junglebagh, einem Dorf bei Jalalabad in der Provinz Ningahar, bestellt 8000 Quadratmeter Mohnfeld. Mitte April, dem einzigen Monat, in dem es in Afghanistan ab und an regnet, öffnen sich zwischen den salatähnlichen Blättern die ersten Blüten.

Von Elke Windisch, Kabul

Der Bauer Nur Pascha aus Junglebagh, einem Dorf bei Jalalabad in der Provinz Ningahar, bestellt 8000 Quadratmeter Mohnfeld. Mitte April, dem einzigen Monat, in dem es in Afghanistan ab und an regnet, öffnen sich zwischen den salatähnlichen Blättern die ersten Blüten. Eine Woche später scheinen ganze Landstriche in Flammen zu stehen. Für wenige Tage schlägt signalrot das Gelb der Wüste und das Graubraun der Berge um Längen. Spätestens Anfang Mai sind aus den Blüten braun-grüne harte Kapseln geworden, die Nur Pascha mit selbst gemachten Klingen einritzt. Jede Kapsel wird gedrückt, bis der klebrige, milchige Saft versiegt. Am nächsten Morgen hat er sich in ein Stück braunes Gummi verwandelt, das zu Kugeln verknetet wird. Anschließend kommt es in Plastikbeutel, bis die Händler anrücken. Das beste Opium, das die Kriegsmaschine der afghanischen Warlords schmierte und schmiert. Nur Pascha rechnet mit einer Ernte von 120 Kilo Rohopium. Möglicher Reingewinn: 5000 Dollar. Bei einem Bruttosozialprodukt von 640 Dollar pro Kopf eine astronomische Summe. Doch Nur Pascha kann davon nur wenig beiseite legen, denn er hat für den Rest seines Lebens alle Hände voll zu tun, um seine Schulden abzustottern. Denn die Taliban kassierten von den Bauern das Ushr – eine altiranische Landwirtschaftssteuer von 20 Prozent. Mit insgesamt 25 000 Dollar steht Nur Pascha inzwischen bei einem Grundherrn in der Kreide.

Obwohl Hamid Karsai zum gleichen Stamm der Paschtunen gehört wie Nur Pascha, wünscht der den Chef der Interimsregierung in die Gehenna – das Fegefeuer der Muslime. Und ist damit nicht allein. In der Provinz Helmand kam es bereits zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Bauern und Regierungsbeamten, die die Ernte vernichten wollten. Mit Toten auf beiden Seiten. Nun setzt das Kabinett auf Prämien für die Stilllegung der Anbauflächen. Nur Pascha bekäme 1000 Greenbacks – ein Fünftel dessen, was die Händler zahlen. Die Prämien stehen zudem auf wackeligen Füßen: 80 Prozent des Staatshaushalts kommen von der Weltbank und Geberländern. Außenminister Abdullah Abdullah erwartet weitere Unruhen, die die Einberufung der Loya Jirga – der Großen Ratsversammlung – Mitte Juni gefährden könnten. Prämien, meint er, seien keine Lösung. Gebraucht würden Programme, die den Opiumbauern ähnlich lukrative Alternativen bieten können.

„Gebt uns modernes Know-How und vor allem Wasser“, fordert auch der Gemischtwarenhändler Nur Baaz ( von der Redaktion geändert). Er betreibt seinen Laden auf dem Markt von Ghani Chel, 16 Kilometer von Kabul entfernt. Offiziell gibt es hier kein Opium, unter dem Tisch wird es an den meisten der 300 bis 400 Stände gehandelt. Zu „normalen Zeiten“, sagt der Händler, könne er, „mehrere Tonnen beschaffen“, jetzt nur ein paar Kilo. Denn die illegalen Raffinerien stehen still. Ihre Lieferanten warten die neue Ernte ab, weil dann die Preise fallen.

Bis zu zehn Kilo Heroin lassen sich aus 100 Kilo Rohopium pressen, für das Aufkäufer in den Dörfern 24 Dollar zahlen. In Ghani Ghel sind dafür bis zu 300 Dollar zu berappen, in Tadschikistan 600. In Moskau kostet das Gramm Heroin 100 Dollar. Eine Gewinnsteigerung, von der Nur Baaz den geringsten Teil abfasst. Er hat ebenso Schulden wie die Opiumbauern. Der Grund: Ein auf Pump gekaufter Kleintransporter, den die Amerikaner zerschossen. Aus Versehen, hofft Nur Baaz, denn er kann die Besatzer gut leiden. Einige gehören bereits zu seinen Stammkunden.

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