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Opposition in Libyen: "Die Zeit läuft gegen uns"

Im Osten Libyens wachsen die Zweifel, ob man den Sieg über Gaddafi schnell erringen kann. Das übergelaufene Militär ist schwach, der Despot igelt sich offenbar in Tripolis ein. Eine internationale Intervention wünschen die Demonstranten jedoch nicht.

Muammar al Gaddafi sitzt immer noch am Ruder. Einen Tag nach dem anderen gibt der libysche Staatschef Interviews. Mal macht er die Terrororganisation Al Qaida, mal ausländische Spione für die Unruhen verantwortlich. Mal behauptet er, es sei ruhig im Land und alles nur eine Erfindung der ausländischen Medien. Der Despot hat sich verschanzt hinter den Linien seiner Elitetruppen in Tripolis und Sirte, wo sein Stamm herrscht. Und im freien Osten Libyens wachsen die Zweifel, ob und wann man das Regime des Diktators endgültig aus den Angeln heben kann.

„Keine Intervention von außen, das libysche Volk schafft das allein“, steht auf einem großen Banner, welches die Aufständischen an der Küstenstraße von Benghasi aufgehängt haben. Auch der neue Nationalrat der neun Städte im Osten des Landes stößt in das gleiche Horn. Man begrüße internationale Hilfen, erklärte Sprecher Abdel Hafiz Ghoqa. „Für die Befreiung von Tripolis jedoch setzen wir allein auf unsere Armee.“

Doch deren Kommandeure zweifeln, ob sie der gewünschten Heldenrolle gerecht werden können. „Die Zeit läuft gegen uns“, sagt ein Fliegeroberst der Benina-Luftwaffenbasis, deren Soldaten zu den Aufständischen übergelaufen sind. „Wir haben damit begonnen, unsere Truppen und Waffenarsenale zu koordinieren.“ Man könne die Luftwaffenbasis zwar verteidigen, für einen Angriff auf Tripolis aber reichten die Kräfte nicht, sagt der 51-Jährige, der seit 1980 bei der Armee ist. Auf dem Fliegerhorst von Benina stünden nur noch Transportflugzeuge, aber keine Kampfhubschrauber oder Kampfjets mehr.

Gaddafi dagegen kontrolliert nach wie vor die wichtigsten Militärbasen Bab al Azizia in Tripolis und Al Gardabiyya in Sirte, wo er abwechselnd zu wohnen pflegte. Gerade in den letzten Jahren nach dem Ende des internationalen Waffenembargos 2004 ging der libysche Diktator in Moskau und Paris auf milliardenschwere Einkaufstour. „Wenn die UN und die USA uns helfen wollen, sollten sie diese beiden Militärzentren angreifen und über ganz Libyen eine Flugverbotszone errichten“, meint der Oberst. Den Rest könne das Volk aus eigener Kraft schaffen.

Seit Libyens Armee im Krieg gegen den Tschad 1987 eine blutige Niederlage erlitt, setzte Gaddafi ganz auf die ihm ergebenen Revolutionsgarden. Die 3000 Mann sind mit modernen russischen Panzern sowie gepanzerten Mannschaftstransportern ausgestattet und verfügen über Boden-Luft-Raketen. Auch die Gaddafi-Söhne Mutasim, Saadi und Khamis befehligen bewaffnete Eliteeinheiten mit modernen Kampfhubschraubern. Dagegen ist die reguläre Armee mit ihren rund 70 000 Soldaten und 40 000 Volksmilizen schlecht trainiert. Ihr überwiegend altes Gerät stammt meistens noch aus den 70er und 80er Jahren.

Nicht zuletzt deshalb gibt man sich bei der Nato bisher sehr zurückhaltend. Libyens Despot verfügt weiterhin über moderne Kampfjets und Luftabwehrwaffen. Auch wollen die westlichen Militärs nicht in die Rolle geraten, Gaddafi zu stürzen und damit dem libyschen Volk den Sieg in seiner Revolution zu nehmen.

Der Kampf zwischen den libyschen Aufständischen und Gaddafi setzt sich im Internet fort. Die von Gaddafis Sohn Saif al Islam gegründete Zeitung „Qurina“ meldete sich mit einer neuen Website zurück, nachdem Hacker ihre ursprüngliche Seite lahmgelegt hatten. In einer Botschaft der Redaktion, die am Dienstag auf der alten Website erschien, hieß es: „Das Gaddafi-Regime hat alle libyschen Websites dichtgemacht, die darüber berichten, was in Libyen wirklich passiert, auch die Website von Qurina, weil sich diese der Kontrolle von Saif al Islam entzogen und die Wahrheit berichtetet hatte.“ Als Vergeltung habe die „Jugend der Revolution vom 17. September“ die Website der staatlichen libyschen Nachrichtenagentur Jana gehackt. Tatsächlich war die Jana-Website am Dienstag blockiert. (mit dpa)

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