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In einer Deutschen Klinik wird bei einer Operation einem Spender eine Niere entnommen, die für eine Transplantation vorgesehen ist.

© dpa

Organspenden: Deutschland muss sein Transplantationsgesetz ändern

In den USA können Patient-Spender-Paare untereinander ein Organ spenden, in Deutschland ist dieser Tausch verboten. Das muss sich ändern. Eine Position.

Nierenversagen ist eine weltweite Volkskrankheit, und der Mangel an Spenderorganen führt bei vielen Patienten zu Dialyse und frühem Tod. Die meisten transplantierbaren Organe stammen von verstorbenen Spendern, und von denen gibt es nicht genug, um alle auf den Wartelisten zu bedienen. Aber da gesunde Menschen zwei Nieren haben und auch mit nur einer Niere gut weiterleben können, kann ein Gesunder einem Kranken seine Niere spenden. Eine Niere von einem Lebendspender funktioniert besser als eine von einem verstorbenen Spender.

In den USA haben wir inzwischen ungefähr so viele Lebendspender wie verstorbene Spender – obwohl noch immer mehr Organe von verstorbenen Spendern stammen, weil die beide Nieren spenden. Eine Lebendspende ist jedoch oft nicht möglich, trotz bereitwilligem Spender, weil die Niere zum Empfänger passen muss. Oft kommt es nicht zu diesem lebensrettenden Geschenk, weil die Niere des Spenders nicht mit dem Patienten kompatibel ist.

In den USA aber existiert ein System, das einem inkompatiblen Patient-Spender-Paar Hilfe anbietet: der sogenannte Nieren-Austausch („kidney exchange“ oder auch „kidney paired-donation“). In seiner einfachsten Form funktioniert dieser Austausch so: Die jeweiligen Ärzte identifizieren zwei inkompatible Patient-Spender- Paare, bei denen die beiden Patienten mit der Niere des Spenders des jeweils anderen Paares kompatibel ist. Dann werden vier Operationen vollzogen, zwei Nierenentnahmen, zwei Nierenimplantationen. Der Nieren-Austausch ist inzwischen zu einem Standard für Transplantation in den USA geworden und hat Tausenden das Leben gerettet.

Gesetze weltweit verbieten den Kauf einer Niere zur Transplantation

Dabei ist wichtig, dass bei dieser paarweisen Spende kein Geld fließt. Es ist lediglich der Austausch von Geschenken zwischen zwei Patient-Spender-Paaren, wodurch der Spender ein Leben rettet und seinem vorgesehenen Empfänger zu Gesundheit verhilft.

Gesetze auf der ganzen Welt verbieten den Kauf einer Niere zur Transplantation, um zu verhindern, dass ein solcher Organhandel die Lage der Armen und sozial Schwachen ausnutzen könnte. (Die einzige Ausnahme ist der Iran, wo ein kommerzieller Markt für Nieren existiert.) Aber in Deutschland formuliert das Gesetz eine weitere, strenge Einschränkung: Ein Patient darf eine Lebendspende nur von jemandem aus seinem oder ihrem direkten Familienumfeld erhalten. Das bedeutet, dass ein Nieren-Austausch in Deutschland illegal ist. Dieses Gesetz schränkt auch die Zahl der direkten Lebendspenden in Deutschland ein – anders als in den USA, wo oft Onkel, Vettern, Freunde, Kollegen etc. Lebendspender sind.

Ich vermute, dass der Grund für diese strenge rechtliche Einschränkung in Deutschland in dem Wunsch liegt, jegliche Möglichkeiten zu verhindern, dass eine Niere gekauft und nicht freiwillig gegeben wurde. Aber wenn man seinem Bruder eine Niere spenden möchte, besteht kein Verdacht, dass man ein bezahlter Organverkäufer ist; und diesem Verdacht sollte man auch nicht ausgesetzt sein, wenn die eigene Niere mit der des Bruders inkompatibel ist. Der Nieren-Austausch erlaubt es, eine Niere zu spenden und ein Leben zu retten – und das Leben des Bruders zu retten. Die paarweise Nierenspende ist ein für beide Seiten nutzbringender Austausch eines lebensrettenden Geschenks – keine kommerzielle Transaktion.

In den USA untersagt der National Organ Transplant Act von 1984 den Verkauf von Organen. Als amerikanische Chirurgen Anfang dieses Jahrhunderts die Möglichkeiten eines Nieren-Austauschs testeten, war noch unklar, was dessen rechtliche Grundlage sein könnte. Aber 2007 ergänzte der Kongress den National Organ Transplant Act, und seitdem ist der Nieren-Austausch in den USA legal. Nieren-Austausch ist auch in einigen Ländern Europas legal und in den Niederlanden und in Großbritannien weitverbreitet.

Eine ähnliche Erweiterung der deutschen Gesetze zur Transplantation könnte die Leben vieler Patienten in Deutschland retten – ohne die Tür zu einem kommerziellen Handel mit Körperteilen zu öffnen.

Der Autor ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Stanford University und Co-Gewinner des Wirtschaftsnobelpreises 2012. Von ihm ist gerade erschienen: „Wer kriegt was – und warum? Bildung, Jobs und Partnerwahl: Wie Märkte funktionieren“ (Siedler).

Alvin E. Roth

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