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ORTSTERMIN: Die Ehrenspielführer

Rainer Woratschka über ein leidenschaftliches Dinner mit Edmund Stoiber und Joschka Fischer

Am Anfang sieht es tatsächlich ein wenig nach schwarz-grüner Harmonie aus. Trotz der Protagonisten. Joschka Fischer – dunkler Anzug, rote Krawatte – zollt dem CSU-Ehrenvorsitzenden seine „persönliche Wertschätzung, gewissermaßen über Lagergrenzen hinaus“. Und Edmund Stoiber – dunkler Anzug, rote Krawatte – revanchiert sich, nach Überwindung seines üblichen Warmlauf-Programms („Ja, äh, gut, man kennt sich natürlich Jahre und Jahrzehnte“), gar mit überschwänglichem Superlativ. Der frühere Außenminister sei, so befindet der einst heftige politische Widersacher mit staatsmännischer Miene, „eine der prägendsten Persönlichkeiten der deutschen Demokratie“.

Wohlwollendes Anlächeln, genüssliches Zurücklehnen. Das Nettsein passt zum Anlass. Dass die beiden auf dem Podium diskutieren, ist einem wohltätigen Zweck geschuldet. Der Erlös des dazugehörigen Dinners geht an Projekte des Malteser-Hilfsdienstes. Doch das Publikum im Berliner Grand-Hyatt-Hotel kann schon bei der ersten Respektbekundung ahnen, dass die zur Schau gestellte Friedlichkeit eine trügerische ist. Stoiber geht nämlich, angestachelt von einem genüsslich bohrenden Moderator, noch weiter. Was ihn mit Fischer verbinde, sei die Leidenschaft, sagt er. Dass sich zum Intellekt auch Gefühl und Emotion gesellten. Und darin ähnle der frühere Grünen-Frontmann im Übrigen auch einem anderen Vorzeigepolitiker: Franz Josef Strauß.

Die Gäste ganz vorne mögen das böse Glimmen in den Augen des Angesprochenen gesehen haben. Ob Stoiber jetzt, beim Thema Leidenschaft, womöglich die Kanzlerin meine, will Fischer wissen. Na ja, kommt er dann seinem verdutzten Gesprächspartner zu Hilfe. „Der Herausforderer ist ja genauso leidenschaftlich.“

Bevor die beiden „alten Schlachtrösser“ (Fischer) dann Proben ihrer eigenen Leidenschaftlichkeit abgeben, dürfen sie noch kundtun, wie sie mit ihrem Abschied klargekommen sind. Der Grüne versichert, dass er keinem in der Partei mehr reinrede und auch nicht um Rat gebeten werde. „Ich wollte raus, und wenn ich draußen bin, bin ich draußen.“ Bekanntlich neige er ja zu „gewissem Radikalismus“. Stoiber dagegen betont, dass er zwar nicht leide, sich aber als „Ehrenspielführer“ noch gerne und oft einmische. Und dass er den Eindruck habe, „dass die Partei das als außerordentlich wohltuend empfindet“. Die Lacher irritieren den gestürzten Ministerpräsidenten kaum. Sie ernten nur einen verständnislosen Blick.

Und dann geht es richtig los. Es sei unredlich, den Bürgern in der Krise Steuersenkungen zu versprechen, wo doch alles auf Erhöhungen hinauslaufe, erregt sich Fischer. Und Stoiber („Ha, jetzt kommt er wieder in seinen alten Jargon“) bedroht sein Gegenüber mit dem berühmten Stoiber-Zeigefinger – und will ihm gleich vorrechnen, welch schlimmen Haushalt Rot- Grün hinterlassen habe. Gut, dass er nicht darf. Moderator Peter Limbourg beendet das Duett und schlägt vor, es auf Tournee zu schicken. Zur Freude des Publikums.

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