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Richtungsweisend? Peer Steinbrück war am Dienstag in London. Foto: dpa

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ORTSTERMIN: Keine Deals

Am Vorabend hat Peer Steinbrück locker vor Studenten der London School of Economics über die Finanzkrise doziert. Nun sitzt der Kanzlerkandidat nach seinem Vortrag im Prachtsaal der Deutschen Botschafterresidenz vor würdigerem Publikum entspannt in einem thronartigen Sessel und beantwortet Fragen.

Am Vorabend hat Peer Steinbrück locker vor Studenten der London School of Economics über die Finanzkrise doziert. Nun sitzt der Kanzlerkandidat nach seinem Vortrag im Prachtsaal der Deutschen Botschafterresidenz vor würdigerem Publikum entspannt in einem thronartigen Sessel und beantwortet Fragen. Ob er seinen bisherigen Wahlkampf bedauere: „Je ne regrette rien. Edith Piaf. Ein großartiger Song“, sagt der Kanzlerkandidat. Er ist auf Europareise, um sein internationales Image ein bisschen aufzupolieren. Man merkt kaum, dass ihn die Frage etwas unwillig macht. Aber er spricht noch knapper, in noch kürzeren und präziseren Sätzen als sonst. Auch Fragen zu den Finanziers des Internet-Blogs „Peerblog“ wischt er beiseite. „Ich kenne die Investoren nicht. Ich habe auch keine Veranlassung, sie zu kennen.“ Aber schön, fährt er fort, wenn Unternehmer hinter der SPD stehen. Hanseatische Kühle strahlt er aus. „Man sagt von uns Hamburgern ja, dass wir britischer sind als die Briten.“

Sein Vortrag in der Botschaft ist eleganter als der vor den Studenten, wieder spricht er ohne Skript und beginnt mit nostalgischen Erinnerungen an seine Zeit als Teilnehmer von G-20-Wirtschaftstreffen. Damals, als in der Krise das G-8-Gremium um Länder wie China, Indien, Südafrika erweitert wurde und klar war, dass Europa die Gestaltungskompetenz in der Welt verlieren könnte. „Europa ist nicht in Bestform“, das könnte die Überschrift seines Vortrags sein. Aber dies ist auch eine Wahlkampfreise, und immer wieder schiebt Steinbrück Spitzen gegen CDU- Kanzlerin Angela Merkel ein. „Die Währungsunion zusammenzuhalten wird Deutschland etwas kosten. Die Bundesregierung schenkt der Bevölkerung darüber keinen reinen Wein ein.“ Nicht, dass er den Namen der Kanzlerin erwähnen würde. Worte wie „Transferunion“ oder „Haftungsgemeinschaft“ habe sie tabuisiert. Aber: „Deutschland wird es immer nur so gut gehen, wie es unseren Nachbarn gut geht.“ Ob das auch gelte, wird er gefragt, wenn diese Nachbarn wirtschaftlich immer weniger relevant werden. Habe nicht Deutschland selbst seine Wirtschaftsaktivität mehr und mehr auf das nicht-europäische Ausland konzentriert? Aber für Steinbrück ist Europa nicht mehr nur die Antwort auf das Jahrhundert der Kriege, sondern die Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. „Europa ist ein Zivilisationsmodell.“

Und was können sich die Briten von einem Kanzler Steinbrück erhoffen? „Sie sind willkommen, aber spezielle Deals gibt es nicht.“ Es werde einen sehr spannenden Wahlkampf geben in Deutschland, verspricht er am Ende. „Vielleicht wird man davon gelegentlich auch etwas auf der Insel hören.“

Matthias Thibaut

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