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Politik: Ost-West-Konflikt bei den Neonazis

Abgeordneter verlässt sächsische NPD-Fraktion – der Chef aus den alten Ländern war ihm zu autoritär

Das Schreiben, das Sachsens Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) am Samstag zugestellt wurde, ist nur wenige Zeilen lang. Aber es sorgte zumindest bei der rechtsextremen NPD für Entsetzen. Denn der NPD-Abgeordnete und stellvertretende Landesparteichef Mirko Schmidt erklärt darin seinen Austritt aus Partei und Fraktion. Er könne einen Verbleib nicht länger mit seinem Gewissen und seinen Idealen vereinbaren, schrieb er. Der Austritt war gut vorbereitet. Schmidt, so wurde jetzt bekannt, hatte bereits vor Wochen Kontakt zum Landesamt für Verfassungsschutz. Die Behörde legt allerdings Wert darauf, dass der NPD-Mann sich selbst gemeldet habe. Schmidt sei dann im Rahmen des Aussteigerprogramms unterstützt worden. Die Verfassungsschützer betonen zugleich, dass es sich bei dem 39-Jährigen nicht um einen V-Mann handele. Nach dem Austritt hoffen die Sicherheitsbehörden nun auf Nachahmer.

Der aus Meißen stammende Schmidt hatte seinen Abgang mit schweren Vorwürfen gegen die Parteispitze um Udo Voigt und die NPD-Führung im Landtag garniert. Das mittlerweile offene Bekenntnis der NPD zum Nationalsozialismus sei für ihn nicht mehr akzeptabel, sagte er der „Sächsischen Zeitung“. Die Partei würde sich im Landtag nur noch gezielt für ein „viertes Reich“ stark machen. Schmidt warf dem aus den alten Bundesländern stammenden NPD-Fraktionschef Holger Apfel vor, Sachsens NPD-Abgeordnete zu Marionetten zu degradieren. Diese müssten sich bei allen Entscheidungen dem Willen einer kleinen autoritären Führungsgruppe aus dem Westen unterordnen und vorgegebene Redetexte vortragen.

Tatsächlich hatte sich die NPD vor der Landtagswahl 2004 äußerst zahm gegeben und auf soziale Themen gesetzt. Von den üblichen fremdenfeindlichen und rassistischen Tönen war im Wahlkampf kaum etwas zu hören. Nach dem Einzug in den Landtag änderte sich das. Die NPD provozierte mit gespenstischen Thesen im Landtag wiederholt Eklats. Zuletzt erzielten sie damit aber immer seltener die erhoffte Aufmerksamkeit.

In dieser Phase hat der Ausstieg von Schmidt die Partei schwer getroffen. Entsprechend rabiat reagierte die Fraktionsführung. Schmidt wurde quasi zur Unperson erklärt und flugs aus einem Gruppenfoto der Fraktion im Internet retuschiert. In einer Erklärung wurde ihm Verrat, charakterliche Schwäche, Überschuldung und Faulheit vorgeworfen. Bislang hatte dies Schmidts Karriere in der Partei allerdings nicht gebremst. Immerhin war der gelernte Anlagentechniker zum stellvertretenden NPD-Landeschef aufgestiegen.

Mit Schmidt, der als Parteiloser sein Mandat weiter ausüben will, hätten CDU und FDP eine hauchdünne Mehrheit im Landtag, die große Koalition könnte theoretisch abgelöst werden. Doch in der CDU kann sich derzeit niemand ein solches Szenario und einen Parteieintritt Schmidts vorstellen. „Wer auch nur ansatzweise rechtsextreme Ziele verfolgt wie Herr Schmidt, hat bei uns nichts zu suchen“, erklärte CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer. Auch bei der FDP kann man sich eine Kooperation „überhaupt nicht“ vorstellen. Schmidt selbst ist derzeit nicht zu erreichen. Er soll abgetaucht sein – aus Angst vor Racheakten.

Lars Rischke[Dresden]

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