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Österreichs Kanzler Werner Faymann siegt - verliert aber drei Prozent.

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Update

Nationalsratswahl: Österreichs große Koalition wird immer kleiner

Die große Koalition in Österreich siegt - gerade so: Die Sozialdemokraten verlieren, die Konservative auch – und die rechtspopulistische FPÖ rückt dicht an die ÖVP heran.

Die große Koalition hat in Österreich nur um Haaresbreite ihre Regierungsmehrheit verteidigen können. Die Sozialdemokraten unter Kanzler Werner Faymann kommen mit der konservativen Volkspartei ÖVP gemeinsam gerade noch auf 50 Prozent. Dafür haben die Populisten bei den Nationalratswahlen kräftig zulegen können. Die rechte FPÖ holte jede fünfte Stimme und bekam deutlich mehr Zuspruch als vor fünf Jahren. Auch die Eurokritiker des Milliardärs Frank Stronach zogen bei ihren ersten österreichweiten Wahlen auf Anhieb ins Parlament ein. Das Team des Austro-Kanadiers blieb jedoch unter dem vollmundig gesteckten Ziel Zweistelligkeit. Das „blaue Wunder“, das der Rechtspopulist Heinz-Christian Strache in Anspielung auf die Parteifarbe in seinem Wiener Wahllokal angekündigt hatte, blieb allerdings aus, auch wenn die FPÖ etwa im Bundesland Steiermark stärkste Partei wurde. Insgesamt landeten die Rechten doch nur auf Platz drei und haben damit nur eine minimale Chance auf die Regierungsbildung. Allerdings ist sie bis auf Augenhöhe an die ÖVP herangerückt.

Deren Parteichef Michael Spindelegger hatte schon am frühen Morgen bei der Stimmabgabe in seinem Heimatort Hinterbrühl bei Wien eine Vorahnung. „Heute werde ich noch nicht Bundeskanzler“, sagte er. Seine Konservativen büßten nach vier Jahren als kleinere Regierungspartnerin noch stärker ein als die Sozialdemokraten. Dennoch wird Spindelegger weiter als Vizekanzler und Außenminister durch die Welt reisen können. Es reicht zur Neuauflage der Koalition.

Mit einem Verlust von 2,2 Prozentpunkten holte die SPÖ als stärkste Partei mit 27,1 Prozent den schlechtesten Wert ihrer Geschichte. Auch die ÖVP sackte nach einem Minus von 2,2 Prozentpunkten mit 23,8 Prozent auf einen historischen Tiefstand.

Während die beiden Großparteien auf den Wahlpartys nur verhalten ihren bescheidenen Sieg feierten, war der Jubelschrei bei den liberalen Neos riesig. Nur elf Monate nach der Parteigründung gelang der Sprung über die Vierprozenthürde. Die Neos versuchen den Freiraum zu füllen, den das Liberale Forum nach dem Wahldesaster 2008 in der politischen Mitte hinterlassen hatte. Spitzenkandidat Matthias Stolz räumte in seiner Heimat Vorarlberg sogar deutlich ab. Die Partei wurde mit 39,9 Prozent in seiner Gemeinde Dalaas stärkste Kraft und lag im ganzen Bundesland, gleichauf mit der SPÖ, deutlich über 20 Prozent. Stolz zeigte sich euphorisch: „Ein Jahrhundertprojekt ist gelungen.“ Erstmals in der Zweiten Republik habe eine „Bewegung aus dem Volk“ beim ersten Versuch den Sprung ins Parlament geschafft.

Den hat das BZÖ nach einem Stimmenabsturz wiederum knapp verpasst. Die FPÖ-Abspaltung des verstorbenen Rechtspopulisten Jörg Haider schaffte es nicht ins Parlament und verabschiedet sich wohl langsam aus der politischen Geschichte Österreichs. Dabei hatte sich das „Bündnis Zukunft Österreich“ unter seinem Chef Josef Bucher zuletzt Richtung Mitte bewegt. Dort warteten aber diesmal die Neos.

Die zweite Parteineugründung der vergangenen zwölf Monate erlebte einen Rückschlag. Das Team Stronach verlor im Vergleich zu den Landtagswahlen, als der 81-jährige Politikneuling nach der Parteigründung im September 2012 auf Anhieb in drei Landesparlamente einzog. Im Sog des Erfolgs und wohl auch mit materiellen Anreizen gelang es Stronach, einzelne Nationalrats-Abgeordnete zum Übertritt zu bewegen und so auch ohne Wahl den Fraktionsstatus zu erreichen. Das ungeschickte Auftreten des Parteigründers im Wahlkampf verhinderte allerdings nach ersten Analysen das erhoffte zweistellige Ergebnis. Vielleicht blieben viele potenzielle Protestwähler schlicht daheim. Denn trotz unzähliger Wahlaufrufe in sozialen Netzwerken, sank die Wahlbeteiligung in allen neun Bundesländern.

Ein zweistelliges Ergebnis feierten die Grünen. Es langt dennoch auch weiterhin nur zu einer Rolle in der Opposition.

Ingo Hasewend

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