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Politik: Ostländer fordern eine Milliarde extra

Nach Reform der Arbeitslosenhilfe soll der Bund Verlust von Kaufkraft ausgleichen / Streit um Wochenarbeitszeit

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Berlin. Die Arbeitsminister der neuen Länder und Berlins fordern vom Bund eine Milliarde Euro jährlich als Kompensation für die Kaufkrafteinbußen in den neuen Ländern. Diese drohen ihrer Ansicht nach durch die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Die Mittel sollten nach ihren Vorstellungen der Wirtschafts- und Investitionsförderung in den neuen Bundesländern zugute kommen. Das erklärten die sechs Minister nach einer Konferenz am Montag in Berlin. Unterdessen hat die Forderung von CDU-Chefin Angela Merkel, die Arbeitszeit in den Altbundesländern zu verlängern, eine Kontroverse ausgelöst.

Die Arbeitsminister erwarten von der Bundesregierung „flankierende Maßnahmen, die dem überdurchschnittlich hohen Anteil von Arbeitslosenhilfeempfängern, insbesondere Langzeitarbeitslosen, in besonders strukturschwachen Regionen Rechnung trägt“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Die geforderten Mittel sollten verstärkt zur Wirtschafts- und Investitionsförderung in Ländern und Regionen eingesetzt werden, „in denen die Arbeitslosenquote im Durchschnitt der letzten sechs Monate mindestens 50 Prozent über der Arbeitslosenquote des Bundesgebietes liegt“. Zudem müsse zur Stärkung des ersten Arbeitsmarktes ein kommunales Infrastrukturprogramm aufgelegt werden. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums wollte sich zu der Forderung nicht äußern, weil es sich beim geplanten Arbeitslosengeld II um einen Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums handele.

Die Forderung der CDU-Chefin nach längeren West-Arbeitszeiten stieß überwiegend auf Ablehnung. Der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, Rüdiger Pohl, fand die Forderung verfehlt: „Das ist kein Ost-West-Problem, sondern ein gesamtdeutsches: In Deutschland muss insgesamt mehr gearbeitet werden“, sagte Pohl dem Tagesspiegel. Wer verlange, dass die Westdeutschen ohne Lohnausgleich länger arbeiteten, müsse das konsequenterweise auch für die neuen Länder fordern. „Schließlich geht es darum, die Arbeitskosten zu senken und den Standort für Investoren zu stärken.“ Ähnlich äußerte sich laut ddp auch Bayerns Arbeitsministerin Christa Stewens (CSU).

„Die längere tarifliche Arbeitszeit ist der einzige Wettbewerbsvorteil, den Ostdeutschland derzeit zu bieten hat“, sagte Viktor Steiner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das sieht auch Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA), so. „Eine Verlängerung der Arbeitszeit im Westen würde einen wichtigen Standortvorteil Ostdeutschlands zunichte machen“, gibt Straubhaar zu bedenken. Ein solcher Schritt erzeuge fatale Konsequenzen: „Die neuen Bundesländer würden bei der Wirtschaftsleistung noch weiter zurückfallen.“

Gleichwohl sei eine Debatte über Arbeitszeiten in Ost und West verfehlt, meinen die Ökonomen. Deutschland gehöre zu den Ländern mit der kürzesten Arbeitszeit, kritisiert DIW-Experte Steiner, das müsse sich ändern. „Alle Menschen müssen in Zukunft länger arbeiten. Sonst bekommt Deutschland sein Wachstumsproblem nicht in den Griff“, warnt auch HWWA-Chef Straubhaar.

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