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OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier (r., im Gespräch mit dem weißrussischen Diktator Alexander Lukaschenko) bezeichnet die Auseinandersetzung in der Ukraine als "hybriden Konflikt".

© Reuters

OSZE-Chef Lamberto Zannier über die Ukraine: „Wir sollten militärische Komponenten einbeziehen“

OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier spricht über die Beobachtermission in der Ukraine und den möglichen Einsatz deutscher Drohnen. Ein Interview.

Die Beobachtermission in der Ukraine beschrieb die Lage im Konfliktgebiet kürzlich als eskalierend. Hält der Waffenstillstand vom Februar noch?

Alles in allem befinden wir uns noch in einem Waffenstillstand. Wir sind nicht zurück in offenen Konfliktsituationen wie während anderer Phasen. Aber es gibt systematische Verletzungen des Waffenstillstandes, sie treten häufiger auf. Wir sehen, dass offenbar einige schwere Waffen zurück zur Kontaktlinie gebracht wurden und bei Gefechten eingesetzt werden.

Wie weit können die Beobachter in das von den Separatisten besetzte Gebiet vordringen?

Es gibt weiterhin No-go-Areas. Es bleibt problematisch, die ukrainisch-russische Grenze zu erreichen, es gelingt nur sporadisch. Von einer systematischen Grenzbeobachtung können wir nicht wirklich sprechen. Wir benötigen politischen Raum, um dies tun zu können. Dann gibt es weitere Regionen, besonders von Kosaken kontrollierte Gebiete, die wir unserer Einschätzung nach für zu gefährlich für unsere Mitarbeiter halten. Sicherheit ist auch wichtig für uns.

Verhalten sich die ukrainische Armee und die bewaffneten ukrainischen Gruppen konstruktiver gegenüber den Beobachtern?

Auch auf der ukrainischen Seite gab es Beschwerden, manchmal werden unsere Leute angehalten und geprüft, während andere einfach durchgelassen werden. Aber auf der Seite der Separatisten ist es immer noch viel schwieriger. Diese Woche habe ich mit dem ukrainischen Außenminister Pawlo Klimkin die Probleme auf der ukrainischen Seite besprochen. Er versicherte, dass sie alles unternehmen werden, um die Lage zu verbessern, und dass sie Hürden beseitigen.

Kürzlich sagten zwei festgenommene Russen der OSZE, sie seien Soldaten der russischen Armee. Sollte Russland nicht zugeben, dass es Konfliktpartei und nicht nur Vermittler in dem Konflikt ist?

Das eine ist, was uns die beiden sagten. Die russische Führung stellt es anders dar. Unsere Aufgabe ist es, zu berichten, was wir hören. Das haben wir getan. Davon abgesehen belegen unsere Berichte, dass wir viele Russen dort finden. Der Fall der beiden Gefangenen zeigt, inwieweit sie mehr oder weniger offiziell von der russischen Regierung engagiert sind. Wir sprechen die ganze Zeit über einen hybriden Konflikt und das ist es.

Es gibt ein Mandat für 1000 Beobachter in der Ostukraine. Derzeit sind fast 500 vor Ort. Unterstützen die OSZE-Länder die Mission ausreichend?

Wir haben starke Unterstützung der Mitgliedsstaaten. Im Moment ist die Zahl der Beobachter vor Ort nicht der entscheidende Faktor. Wir haben fast 500 vor Ort und planen, bis zum Ende des Sommers 600 präsent zu haben. Wenn wir darüber hinausgehen wollen, müssen wir die Struktur der Mission ändern. Die Verhandlungen müssen weiter vorangehen, damit wir mehr Raum vor Ort bekommen, um Dinge regeln zu können. Es wäre übrigens sehr teuer, die Mission auf 1000 Beobachter zu erhöhen. Bevor wir also die Anzahl erhöhen, wollen wir sicherstellen, dass alles andere geregelt ist.

Im Moment sind zwei von einer österreichischen Firma geleaste Drohnen im Einsatz. Deutschland bot die Nutzung seiner Drohnen an.

Dies würde einen militärischen Schutz innerhalb der Mission erfordern. Tatsächlich habe ich das vorgeschlagen. Denn ich frage mich immer wieder, ob wir nicht eine militärische Komponente innerhalb der Mission haben sollten, obwohl es eine zivile Mission ist. Es gibt ein Limit, was zivile Beobachter vor allem in Bereichen tun können, in denen militärische Operationen stattfinden, selbst wenn die Beobachter einen militärischen Hintergrund haben. Wenn man die Mission auf ein anderes Niveau bringen will und sie robuster sein soll, dann sollten wir einige militärische Komponenten einbeziehen.

Es könnte sich um die Drohnen mit militärischem Schutz handeln. Andere könnten eine direktere Beobachterrolle übernehmen, aber mit womöglich leicht bewaffneten Mitarbeitern für eine Selbstverteidigung. Dann könnten sie sich in Gebiete bewegen, die derzeit für uns unerreichbar sind.

Es wäre aber noch keine Peacekeeping-Mission, die Frieden mit Waffengewalt durchsetzen könnte?

Nein, man würde die Mission nur weiter in diese Richtung bewegen. Die OSZE- Vereinbarungen untersagen Peacekeeping-Missionen auch nicht. Es ist nur eine Frage des politischen Konsens. Ich halte es für meine Verantwortung, den Menschen zu sagen: Wenn ihr wollt, dann kann das in Betracht gezogen werden.

Lamberto Zannier (61) ist seit Juli 2011 Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Mit dem italienischen Diplomaten sprach Silvia Stöber.

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