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Paketbombe: Sicherheitsleck Frachtmaschine

Der Paketbombenfund hat gezeigt: Passagiere werden hart kontrolliert, Fracht dagegen nicht. Warum?

Die vereitelten Anschläge mit Paketbomben haben möglicherweise ein Sicherheitsleck offengelegt: die Fracht. Und die wird nicht nur in speziellen Maschinen transportiert, sondern auch Passagierflugzeuge dienen zum Gütertransport.

Wie wird die Fracht befördert?

Lufthansa Cargo befördert 50 Prozent seiner Ware in Passagiermaschinen. Vor allem verderbliche Güter wie Fisch oder Blumen werden in einer der 300 Passagiermaschinen von Lufthansa Cargo transportiert. Aber auch Produkte, die schnell ausgeliefert werden müssen. Dazu zählen beispielsweise Autoersatzteile oder Medikamente. Rund 60 Prozent der gesamten Güter, die per Flugzeug in die USA geliefert werden, kommen laut Experten in Passagiermaschinen an.

Wie wird Luftfracht kontrolliert?

Grundsätzlich müssen die Fluggesellschaften dafür sorgen, dass ein möglichst großer Teil der Waren kontrolliert wird. Bei Luftfracht wird Branchenangaben zufolge allerdings nur jede zehnte Sendung intensiv geprüft. Bei DHL, der Luftfrachtsparte der Deutschen Post, hält man sich bedeckt. Es gebe am Flughafen Leipzig, dem Frachtdrehkreuz des Konzerns, ein „sehr robustes Sicherheitssystem“, das allen modernen Anforderungen genüge, sagte eine Sprecherin. Wie man prüfe und welche Treffsicherheit es gebe, wollte sie aus Sicherheitsgründen nicht sagen.

Klar ist allerdings, dass nicht jedes Transportgut geröntgt wird, bevor es in ein Flugzeug gelangt. Vielmehr wird die Sicherheit von der Logistikkette selbst geregelt. So sieht es eine EU-Verordnung vor. Demnach muss ein Hersteller bestimmte Sicherheitsstandards erfüllen – genau wie anschließend der Spediteur. Das alles wird vom Luftfahrtbundesamt zertifiziert. „Unsere Kunden liefern uns die Ware auf Paletten, und wenn diese zertifiziert sind, müssen wir nichts noch mal scannen“, sagt Nils Haupt, Sprecher von Lufthansa Cargo. Gebe es kein solches Zertifikat, werde „hundertprozentig gescannt“, sagt er. In einem Luftfrachtbrief sei auch geregelt, wer Adressat und Absender der Ware sind. „Aber wir können nicht genau den Lauf der Ware, den sie vorher beim Spediteur genommen hat, nachvollziehen“, sagt Haupt. Das heißt, ob eine bestimmte Sendung aus dem Jemen über ein anderes Land in eine Lufthansa-Cargo-Maschine gelangt, kann nicht ohne Weiteres herausgefunden werden.

Soll es Veränderungen geben?

Zumindest wird das jetzt diskutiert. Ein Arbeitskreis, der aus Vertretern verschiedener Behörden und Ministerien zusammengesetzt und vom Bundesinnenministerium federführend geleitet wird, soll prüfen, welche zusätzlichen Kontrollmöglichkeiten es bei Luftfracht gibt. Das soll diese Woche auch auf EU-Ebene sondiert werden.

Patrick Döring, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion und verkehrspolitischer Sprecher, plädiert für schärfere Kontrollen. „Es ist schwer verständlich, warum es bei den Passagieren so strenge Sicherheitsvorkehrungen gibt, in der Fracht, die in derselben Maschine transportiert wird, aber nicht.“ Deshalb werde man wohl nicht umhinkommen, „die Kontrolldichte im Frachtverkehr zu erhöhen“. Allerdings wies das Verkehrsministerium darauf hin, dass eine lückenlose Überprüfung aller Pakete nahezu unmöglich sei.

Was würde das für die Industrie bedeuten?

Die Flughäfen, über die das Luftfrachtgeschäft abgewickelt wird, fürchten nun schärfere Sicherheitsregeln – etwa zusätzliche Kameras, Sicherheitsschleusen oder Wachpersonal. Man solle erst einmal den Verlauf der Pakete analysieren, bevor man Konsequenzen ziehe, sagte Ralph Beisel, Chef des Flughafenverbands AGV. An den 23 deutschen Airports wurden im vergangenen Jahr 3,6 Millionen Tonnen Fracht verladen. Das ist nicht einmal ein Prozent des gesamten Frachtaufkommens, der größte Teil wird über die Straße befördert. Die Wirtschaft fürchtet, neue Sicherheitsanforderungen könnten den Aufbau von Handelsschranken bedeuten, die das Geschäft erschweren würden. Die Konsequenzen zusätzlicher Kontrollen sind klar: „Mehr Kontrollen bedeuten höhere Kosten“, sagt Frank Straube, Logistik-Professor an der Technischen Universität Berlin. Zum einen wegen der Infrastruktur für die Kontrollen, zum anderen wegen der Zeit, die vor dem Start eines Flugzeugs für Überprüfungen erforderlich wäre. Lufthansa-Cargo-Sprecher Haupt glaubt, dass eine Verschärfung der Kontrollen, etwa das verpflichtende Scannen aller Waren vor dem Abflug, „die gesamte Industrie auf den Kopf stellen“ würde.

Was weiß man mittlerweile über den Verlauf der Paketbomben und deren Auffinden?

In der Nacht zu Freitag hat der saudische Geheimdienst laut deutschen Regierungskreisen gegen 1.34 Uhr den Verbindungsbeamten des BKA in Riad angerufen und ihm mitgeteilt, dass zwei Pakete mit Sprengstoff in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa aufgegeben wurden. Die Pakete sollten am 1. November in Chicago ausgeliefert werden. Das UPS-Paket kam am 28. Oktober um 22.56 Uhr auf dem Flughafen Köln-Bonn an und wurde gegen 2.04 Uhr in Richtung Großbritannien weitergeleitet. Nach Deutschland gelangte diese Information aber erst gegen 2.40 Uhr, weshalb man die Lieferung nicht mehr habe aufhalten können. Das BKA informierte jedoch die britischen Behörden, die das Paket dann auch aus dem Verkehr zogen. „Überrascht“ zeigen sich Regierungskreise nun darüber, dass sich die Briten noch nicht offiziell bei den deutschen Behörden gemeldet haben.

Welche Erkenntnisse gibt es über die Täter und die Bomben?

Bei der Fahndung nach den Hintermännern der verschickten Paketbomben aus dem Jemen haben die US-Behörden ihr Augenmerk auf den Saudi Ibrahim Hassan al-Asiri gerichtet. Er gilt als eine der führenden Figuren der Terrororganisation Al Qaida auf der arabischen Halbinsel und als begabter Bombenbauer. Im Jemen geht die Fahndung nach einer Frau weiter. Eine zuvor dort festgenommene Medizinstudentin wurde freigelassen – vermutlich hatten die Terroristen ihre Identität gestohlen und dann benutzt.

Über die Beschaffung der Bomben wissen die Experten mittlerweile auch etwas mehr. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen waren die Standard-Druckerpatronen mit 300 beziehungsweise 400 Gramm geruchslosem Sprengstoff PETN gefüllt. Ein ausgeklügelter Zündmechanismus hätte ersten Erkenntnissen zufolge mittels Mobiltelefon in Gang gesetzt werden können. „Die Sprengwirkung wäre erheblich gewesen“, hieß es.

Welche Rolle spielt Saudi-Arabien?

Der entscheidende Tipp kam aus dem Geburtsland von Osama bin Laden – wenn auch fast zu spät. Saudischen Anti-Terror-Spezialisten war es gelungen, einen reumütigen Ex-Guantanamo-Häftling zum Reden zu bringen. 2007 hatte sich Jabr al-Faifi nach dem offiziellen Rehabilitationsprogramm in den Jemen abgesetzt und Al Qaida angeschlossen. Vor zwei Wochen stellte er sich dem saudischen Geheimdienst und gab den Tipp auf die mit Sprengstoff gefüllten Druckerpatronen, hergestellt von einem Ex-Terrorkollegen im Jemen, der auch aus dem ölreichen Königreich stammt. In Saudi-Arabien liegen die Ursprünge von Al Qaida. 15 der 19 Attentäter des 11. Septembers stammten von hier. Und schon bald geriet das Königreich selbst ins Visier. Von 2003 bis 2006 kamen bei Attentaten über hundert westliche Bürger, saudische Passanten und Polizisten ums Leben. 2005 gelang es den Fahndern, Oberhand zu gewinnen. Seitdem unternimmt Saudi-Arabien große Anstrengungen, radikale Gewalttäter mit einer Kombination aus harter Überwachung und weichen Sozialprogrammen von ihren Mordplänen abzubringen. Der extreme Fahndungsdruck veranlasste die saudische Al Qaida, sich ins benachbarte Jemen abzusetzen, wo sie sich seit 2009 erneut unter dem alten Namen „Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ formierte.

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