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Die Palästinenser wollen einen unabhängigen Staat.

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Nahost-Politik: Palästinenserstaat entzweit Berlin und Paris

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy stellt eine UN-Anerkennung des Palästinenserstaats in Aussicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich hingegen bereits auf Ablehnung festgelegt.

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Kurz vor dem Berlin-Besuch des Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, droht der EU in der Nahost-Politik eine neue außenpolitische Krise. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy kündigte an, Frankreich könne gegen den israelischen Willen einem unabhängigen Palästinenserstaat zustimmen. Außenpolitiker in Berlin werteten dies als gefährlichen Alleingang, der die Bemühungen zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU untergrabe.

Im Gegensatz zu Sarkozy hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits Anfang April erklärt, Deutschland werde eine einseitige Unabhängigkeitserklärung der Palästinenser nicht akzeptieren. Abbas, der am Mittwochabend mit Außenminister Guido Westerwelle zusammentraf, wird am heutigen Donnerstag von Merkel empfangen.

Der Vizechef der Unionsfraktion, Andreas Schockenhoff, forderte eine gemeinsame Haltung der EU zur möglichen Staatsgründung. „Die Botschaften, die aus Paris, London und Berlin an Israelis und Palästinenser vermittelt werden, müssen im Nahost-Quartett ganz eng abgestimmt sein“, sagte er dem Tagesspiegel: „Einen einseitigen Vorstoß halte ich für falsch.“

Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich sprach von einer beunruhigenden Entwicklung. „Die Uneinigkeit in dieser wichtigen Frage gefährdet die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU“, sagte er. Der SPD-Politiker warnte zugleich vor einseitigen Schuldzuweisungen an Paris: Die Kanzlerin habe „selbst Vorfestlegungen getroffen und damit zum Auseinanderdriften der Positionen beigetragen“. Mützenich forderte, die Bundesregierung müsse dringend die Initiative für eine EU-Einigung ergreifen.

Schon in der Libyen-Krise fühlte sich Berlin überfahren von der französischen Anerkennung der Rebellen im Osten des Landes. Während Sarkozy eine UN-Resolution zur Schaffung einer Flugverbotszone durchpeitschte, enthielt sich Berlin der Stimme. In einem Interview mit dem Magazin „L’Express“ sagte Sarkozy am Mittwoch: „Wenn der Friedensprozess im September immer noch an einem toten Punkt ist, wird Frankreich in Bezug auf die zentrale Frage der Anerkennung eines palästinensischen Staates seine Verantwortung übernehmen.“ Vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu forderte Sarkozy , „er muss deutlicher sagen, dass die Palästinenser das Recht auf einen eigenen Staat haben und entsprechend handeln“.

Wenn die Verhandlungen bis zum Herbst nicht aufgenommen werden, will Abbas den UN-Sicherheitsrat auffordern, einen Staat Palästina in den Grenzen von 1967 anzuerkennen. Die USA werden vermutlich ihr Veto einlegen. In diesem Fall wollen die Palästinenser sich auf den Präzedenzfall der UN-Resolution 377 mit dem Titel „Uniting for Peace“ aus dem Jahr 1950 berufen und versuchen, eine außergewöhnliche Vollversammlung einzuberufen. Dies könnten neun der 15 Mitglieder des Sicherheitsrates oder eine Mehrheit der Vollversammlung durchsetzen, „falls der Sicherheitsrat mangels Einstimmigkeit seiner primären Verantwortung für die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit“ nicht nachkomme. Während der Korea-Krise 1950 hatte die UdSSR den Sicherheitsrat mit ihrem Veto blockiert und die USA hatten dieses Prozedere vorgeschlagen. Die Vollversammlung kann dann mit Zwei-Drittel-Mehrheit Beschlüsse fassen.

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