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Papst

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Papst-Enzyklika: Absage an ungezügelten Kapitalismus

Klare Botschaft aus dem Vatikan: Der Papst fordert in seiner Sozialenzyklika ein Umdenken von Unternehmern. Er verurteilt den Kapitalismus.

Berlin - In seinen ersten beiden Lehrschreiben beschäftigte sich Papst Benedikt XVI. 2006 und 2007 mit der Liebe und der Hoffnung. Die dritte Enzyklika „Caritas in veritate“ widmete er jetzt den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der Globalisierung. Weltweite Vernetzung, technischer Fortschritt, unternehmerisches Handeln und das Streben nach Gewinn seien „a priori weder gut noch schlecht“, es komme darauf an, was der Mensch daraus mache, schreibt das Oberhaupt der katholischen Kirche in dem Dokument, das in der deutschen Übersetzung 72 Seiten umfasst.

Die Globalisierung könne eine Chance sein, wenn sie auf die Verantwortung für das Gemeinwohl ziele. „Wir dürfen nicht Opfer sein, sondern müssen Gestalter werden, indem wir mit Vernunft vorgehen und uns von der Liebe und von der Wahrheit leiten lassen.“ Ohne moralisches und ethisches Fundament wirke sie sich aber zerstörerisch aus. „Langfristig hat die Überzeugung, Wirtschaft brauche Autonomie und dürfe keine moralische Beeinflussung zulassen, zu wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Systemen geführt, die die Freiheit der Person und der gesellschaftlichen Gruppen unterdrückt haben und genau aus diesem Grund nicht in der Lage waren, für die Gerechtigkeit zu sorgen, die sie versprochen hatten.“

Deshalb müsse sich das Verständnis des Unternehmers „tiefgreifend verändern“, fordert der Papst. „In den vergangenen Jahren ist die Zunahme einer kosmopolitischen Klasse von Managern zu beobachten, die sich oft nur nach den Anweisungen der Hauptaktionäre richten, bei denen es sich normalerweise um anonyme Fonds handelt“. Stattdessen brauche es Unternehmer, die sich langfristig für die Tätigkeit ihres Unternehmens verantwortlich fühlen und auch die Bedürfnisse der Arbeitnehmer, der Kunden und der Zulieferer ernst nehmen. Auch die Gewerkschaften sollten sich „neuen Perspektiven öffnen“, und auch die Bedürfnisse der Nichtmitglieder und der Arbeitnehmer in den Entwicklungsländern in den Blick nehmen, deren Rechte oft verletzt würden. Mit den Worten seines Vorgängers Johannes Paul II. ruft Benedikt zur „weltweiten Koalition für würdige Arbeit“ auf.

Darüberhinaus sei jeder einzelne gefragt, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. So appelliert Papst Benedikt in seinem Schreiben an die „Eigenverantwortung der Sparer“ und an die „Macht der Konsumenten“, mit der Kaufentscheidung moralische Wertungen zu treffen. Immer wieder mahnt Benedikt XVI., dass das wirtschaftliche Wachstum der reichen Länder nicht auf Kosten der ärmeren Länder gehen dürfe. Wenn sich auch die ärmeren Regionen entwickelten, würden davon schließlich auch die reicheren profitieren, weil sich zum Beispiel neue Absatzmärkte eröffneten.

„Caritas in veritate“ steht in der Tradition der katholischen Soziallehre und der Grundgedanken von Solidarität und Subsidiarität. Mit seiner Enzyklika knüpft Benedikt XVI. zudem an die Enzyklika „Populorum progressio“ an, in der Papst Paul VI. 1967 die soziale Frage erstmals als eine weltweite behandelt und die Entwicklung der Völker beleuchtet hat. Eigentlich sollte die neue Enzyklika deshalb schon vor zwei Jahren erscheinen, zum 40. Jubiläum von „Populorum progressio“. Auch Benedikts Vorgänger Papst Johannes Paul II. hatte das Thema Arbeit und Wirtschaft in Lehrschreiben in den achtziger und neunziger Jahren aufgegriffen und bereits 1991 nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme in Osteuropa eine weltweite Neuordnung der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen gefordert.

Benedikt XVI. unterteilt seine dritte Enzyklika in sechs Kapitel. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass der Mensch das Abbild Gottes ist und von der Kraft der Liebe und der Wahrheit angetrieben wird. In der globalisierten Welt macht der Papst allerdings eine Reihe von Phänomenen aus, die den Mensch in seinem Streben nach Liebe blockieren. So verhindere etwa der Individualismus und der Hedonismus die Sorge um den Mitmenschen, und die „technokratische Mentalität“ sehe den Menschen nur unter Gesichtspunkten der Effizienz. Benedikt XVI. geißelt immer wieder auch den Atheismus und eine „Kultur des Todes“, die sich in der „verbreiteten tragischen Plage der Abtreibung“ und in der Geburtenkontrolle manifestiere und womöglich in Zukunft zu einer „systematischen eugenischen Geburtenplanung“ führe. Er lehnt die „Emotionalisierung“ und „Psychologisierung“ des Menschen ab, die echte Liebe mit „Sentimentalität“ verwechsle und die Seele des Menschen „entleert“. Alle negativen Erscheinungsformen der Moderne gipfeln für das katholische Oberhaupt in einem Relativismus der Wahrheit, der Kulturen und der Bildung. Der Papst lässt keinen Zweifel daran, dass nur das Christentum das wahre Verständnis von Liebe und Wahrheit, von Brüderlichkeit und Gemeinschaft lehrt.

Während Benedikt XVI. in seinen ersten beiden Lehrschreiben „Deus caritas est“ und „Spe salvi“ mit einer positiven Weltsicht überraschte, dokumentiert „Caritas in veritate“ den für Joseph Ratzinger typischen Kulturpessimismus. „Zu übersehen, dass der Mensch eine zum Bösen geneigte Natur hat, führt zu schlimmen Irrtümern“, formuliert er. Von der werbenden, mutmachenden und teils euphorischen Sprache besonders der ersten Liebes-Enzyklika ist im fünften Jahr seines Pontifikats wenig übrig geblieben.

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