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Angelus-Gebet. Umjubelt von rund 150 000 Menschen hat das neue Oberhaupt der katholischen Kirche am Sonntag zur Barmherzigkeit aufgerufen.

© dpa

Papst Franziskus: „Ach, wie möchte ich eine arme Kirche!“

In nur vier Tagen als Papst hat das neue Oberhaupt der katholischen Kirche eine Nähe zu seinen Zuhörern aufgebaut, wie sie lange nicht zu spüren war.

Wenn Papst Franziskus etwas nicht mag, dann sind es wohlgesetzte, vorformulierte Rede-Entwürfe. Schon bei seiner ersten Messe mit den Kardinälen hat er lieber aus dem Stegreif gepredigt. Und bei seiner ersten richtigen Audienz am Samstag hätte er den geladenen Vatikanjournalisten eigentlich den Satz vorlesen sollen: „Einen besonderen Dank richte ich an Sie für ihren qualifizierten Dienst in den vergangenen Tagen.“ Doch Franziskus wischte den kurialen Formelstil spontan zur Seite: „Da habt ihr aber gearbeitet, was! Da habt ihr geschuftet!“ Und schon saß er, in der großen Audienzhalle, nur mehr physisch auf seiner unnahbaren, marmorkalten Bühne: Schon war er mitten unter den 6000 Gästen im Saal angekommen.

Der Jubel war dem Neuen auch am Sonntag gewiss. Waren die Römer vier Tage zuvor noch, am Abend der Papstwahl, angesichts der unbekannten und scheinbar recht linkischen Person da oben auf der Loggia eher schulterzuckend vom Petersplatz geschlichen, so strömten sie zu Franziskus’ erstem Mittagsgebet jetzt in Massen zurück: an die 150 000 Leute waren da; die Wahrnehmung des Papstes hat sich komplett gewandelt.

Wieder sprach das neue Oberhaupt der katholischen Kirche fast vollständig frei. Er predigte – nicht in theologisch bis aufs Komma ausgetüftelten, sondern in menschlich zu Herzen gehenden Sätzen – über die göttliche Barmherzigkeit und verlangte, sie weiterzugeben: „Barmherzigkeit verändert die Welt, macht sie gerechter und weniger kalt.“

So locker, wie Franziskus von einer „Oma“ in Buenos Aires erzählte, von der er fundamentale theologische Einsichten bezogen hat, so ungezwungen, wie er am Ende des Sonntagsgebets allen ein „gutes Mittagessen!“ wünschte, so freimütig hatte er vor den Journalisten am Tag zuvor aus dem Konklave erzählt. Beispielsweise wie er, der Argentinier Jorge Mario Bergoglio, auf den Namen Franziskus kam: Als es „bei der Stimmenauszählung für mich gefährlich zu werden begann“, sagte der Papst, habe ihn sein Nebensitzer, der frühere Erzbischof von Sao Paulo und Franziskaner Claudio Hummes, „getröstet“. Als dann die Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht und der Applaus aufgebrandet war, flüsterte Hummes ihm zu: „Vergiss die Armen nicht!“

Da, sagte der Papst, „ist mir der Name des Franziskus von Assisi ins Herz gedrungen, der Mann der Armut. Und während die Auszählung weiterging, habe ich an die Kriege gedacht, und dass Franziskus ein Mann des Friedens ist, der uns den Geist des Friedens gibt, der Mann, der die Schöpfung liebt und bewahrt. Und wir haben im Moment kein so gutes Verhältnis zur Schöpfung, nicht wahr?“ Und dann setzte der Papst hinzu: „Ach, wie sehr möchte ich eine arme Kirche und eine Kirche für die Armen!“

Die roten Papstschuhe, mit denen Benedikt XVI. für Aufsehen gesorgt hatte, trug Franziskus immer noch nicht. Gepredigt hatte er vor den Kardinälen im Stehen, ohne die Bischofsmitra und ohne das Pallium, die ringförmige Stola, die ihn als Erzbischof auszeichnen würde. Seinen bisher bedeutendsten Verstoß gegen das kirchliche Protokoll aber erlaubte er sich – in spontanem Entschluss – bei der Begegnung mit den Journalisten. Da verzichtet er darauf, unter Orgelgebraus und lateinischem Gesang das große Kreuzzeichen seines Apostolischen Segens über die Versammlung zu schlagen. „Ich weiß, dass viele von euch nicht der katholischen Kirche angehören oder gar keine Gläubigen sind“, sagt Franziskus: „Ich respektiere das Gewissen jedes Einzelnen, und so segne ich euch von Herzen, aber in Stille.“ Dann ging er. Einfach so.

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