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Public Viewing zur Amtsenthebung: In Sao Paulo jubelten Demonstranten, nachdem sie die Abstimmung verfolgt hatten.

© Sebastiao Moreira/dpa

Brasilien: Parlament stimmt für Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff

Jubel im Parlament und auf den Straßen: Mit deutlicher Mehrheit hat die Abgeordnetenkammer in Brasilien den Weg für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Staatspräsidentin Rousseff freigemacht.

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff droht die Amtsenthebung. In der Abgeordnetenkammer wurde am Sonntag die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit dafür deutlich erreicht, obwohl die Regierung bis zuletzt versucht hatte, einzelne Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen.

Der Senat kann Rousseff nun als nächsten Schritt Ende April für zunächst 180 Tage suspendieren. Es kam zu frenetischem Jubel der Gegner von Rousseff im Parlament, als die entscheidende 342. Ja-Stimme am späten Sonntagabend (Ortszeit) erreicht worden war.

Jeder Abgeordnete erläuterte in einem kurzen Statement sein Votum, die emotionale Abstimmung dauerte bis zur entscheidenden Stimmabgabe des Abgeordneten Bruno Araújo bereits über fünf Stunden.

Mit dem Votum wird der juristische Prozess eröffnet, der Senat muss nun eine Kommission bilden und kann dann mit einfacher Mehrheit Rousseff für 180 Tage suspendieren, dieses Votum wird nicht als große Hürde angesehen. In dieser Zeit würden die Vorwürfe juristisch geprüft.

Ihr würde Vizepräsident Michel Temer (75) nachfolgen, der Chef der Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) ist, die mit der Regierung gebrochen hat. Temer ist aber weiterhin Vizepräsident, damit er Rousseff beerben kann.

Bis Oktober könnte Senat sie die Amtes entheben

Wird Rousseff nun suspendiert, könnte sie zum Beispiel auch nicht die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro am 5. August eröffnen. Bei den Vorwürfen gegen sie geht zu einen um Tricksereien beim Haushalt - vor allem bei der Finanzierung von Programmen wie der Familiensozialhilfe „Bolsa Familia“ über öffentliche Banken. Zum anderen um Kreditvergaben ohne grünes Licht des Kongresses.

Bis Oktober könnte der Senat sie mit Zwei-Drittel-Mehrheit endgültig des Amtes entheben. Bisher gab es solch ein Verfahren erst einmal. 1992 wurde Fernando Collor de Mello nach Korruptionsvorwürfen für 180 Tage suspendiert - und trat am Ende schließlich selbst zurück.

Tumultartige Szenen im Abgeordnetenhaus

Zu Beginn des Abstimmungsprozesses gab es tumultartige Szenen in der Hauptstadt Brasília. Es kam im Abgeordnetenhaus zu lauten „Arbeiterpartei raus“-Rufen und Wortgefechten zwischen Gegnern und Anhängern der Präsidentin von der linken Arbeiterpartei (PT).

Abgeordnete der PT riefen: „Es darf keinen Putsch geben“. Sie zeigten ein Banner „Weg mit Cunha“ - Parlamentspräsident Eduardo Cunha hatte das Verfahren gegen Rousseff federführend initiiert, obwohl ihm die Annahme von fünf Millionen Dollar Schmiergeld vorgeworfen wird.

Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff.
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff.

© Ueslei Marcelino/Reuters

Nachdem klar war, dass deutlich die Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht werden wird, kam es zu Feuerwerk und Autokorsos, zuletzt lag die Zustimmung zu der Politikerin der Arbeiterpartei nur noch bei zehn Prozent. An Orten wie der Copacabana in Rio de Janeiro verfolgten die Menschen per Public Viewing die aufgeheizte Abstimmung im Parlament.

Wie es zu den Protesten gegen Rousseff kam

Den Niedergang Rousseffs beschleunigt hatte die Berufung von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zu ihrem Kabinettschef: Ein Bundesrichter legte sein Veto ein, da Lula im Regierungsamt wesentlich besser vor möglicher Untersuchungshaft geschützt wäre - ihm wird die Begünstigung durch einen Baukonzern bei einer Immobilie an der Atlantikküste vorgeworfen.

Was als Befreiungsschlag und zur Stärkung ihrer Regierung gedacht war, endete in wütenden Protesten dagegen, dass Rousseff Lula nur vor der Justiz schützen wolle.

Daneben hat der parteiübergreifende Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Petrobras-Konzern den Widerstand verschärft, ebenso die tiefe Rezession. Die Wirtschaft brach 2015 um 3,8 Prozent ein, die Arbeitslosenzahl ist auf 9,6 Millionen gestiegen.

Die Regierung bekam zuletzt kaum noch Reformen durchgesetzt - weil die einstige Neun-Parteien-Koalition zerbröselt ist. Da aber auch Temer wenig Vertrauen genießt, wurde zuletzt der Ruf nach Neuwahlen immer lauter. (dpa)

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