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Stimmabgabe in einem Armenviertel in der Stadt Oran. Die Wahlbeteiligung lag offiziell mit 43 Prozent höher als erwartet, viele Beobachter bezweifeln das.

© Katharina Eglau

Parlamentswahl in Algerien: Schema F in Algerien

Die Staatsparteien siegen bei angeblich hoher Wahlbeteiligung und die Opposition spricht von Wahlbetrug. Alles beim Alten in Algerien?

Die einen jubelten Algeriens Parlamentswahlen hoch zum Arabischen Frühling an den Urnen. Die anderen verspotteten sie als neuerliche zynische Komödie, die nur die Privilegien der seit Jahrzehnten herrschenden, korrupten Machtelite für weitere fünf Jahre sichern soll. Die ganze Nacht wurden die Stimmen aus den gut 48 000 Wahllokalen gezählt. Doch das für Freitagvormittag angekündigte Ergebnis ließ viele Stunden auf sich warten, Indikator für ein intensives Gezerre hinter den Kulissen der Macht.

Am frühen Abend gab Innenminister Daho Ould Kablia im Staatsfernsehen bekannt, dass in Algerien nach dem angeblichen Willen des Volkes alles beim Alten bleibt. Nach seiner Lesart hat das Bündnis aus den Staatsparteien FLN und RND mit insgesamt 288 von 462 Sitzen einen in der Höhe sensationellen Sieg eingefahren. Die grüne Allianz aus den drei wichtigsten islamistischen Parteien landete mit 48 Sitzen weit abgeschlagen auf den Oppositionsbänken, gefolgt von der sozialistischen FFS mit 21 Sitzen. Allianz-Sprecher Abderrazak Mukri sprach von „zentral gesteuertem Wahlbetrug, der das Land in Gefahr bringt“. Er machte Präsident Abdelaziz Bouteflika persönlich für die Manipulationen haftbar und fügte hinzu, „wir sind nicht verantwortlich, für das, was jetzt passiert“.

Die Wahlbeteiligung hatte Innenminister Daho Ould Kablia auf „bemerkenswerte“ 42,36 Prozent beziffert, sieben Prozentpunkte höher als 2007. Doch selbst auf den Propagandabildern des Staatsfernsehens waren überwiegend Wahlhelfer mit ihren auffällig großen Spezialausweisen zu sehen. Nirgendwo gab es lange, enthusiastische Schlangen um die Häuserblocks wie in Tunesien und Ägypten. Die meisten Algerier trauen ihrer politischen Klasse nicht, sie glauben nicht an den Willen des Establishments, die Macht abzugeben. Und sie glauben nicht an ein Ende der extremen Korruption und Selbstbereicherung. „Wir wählen keine Diebe“, schimpften drei junge Männer, die den Nachmittag hoch oben an der Festung Santa Cruz verbrachten, die die Spanier über der Mittelmeerstadt Oran errichtet haben. „Der Präsident ist o.k., der Rest ist Müll“, sagten sie, während aus ihrem schrottreifen Renault R 4, Baujahr 1968, Rockmusik dröhnt.

Unten, in der so genannten Neustadt, verloren sich in der weiträumig abgesperrten Pasteur-Grundschule für Mädchen einige ältere Leute in den zu Wahllokalen umfunktionierten Klassenzimmern. Mitglieder der Initiative für Wahlboykott schätzten die Beteiligung der Provinz Oran denn auch auf höchstens 25 Prozent, ähnlich wie in der Hauptstadt Algier. Hunderttausende junger Leute haben sich nie als Wähler registrieren lassen, erläuterte Amer Bensidhoum, Chef einer kleinen Manufaktur für historische Straßenlampen. „Wir haben keine saubere Verwaltung, keine sauberen Wählerlisten und keine sauberen Resultate“, fügte er hinzu. Die offizielle Zahl von 21,9 Millionen registrierten Wählern hält er für ein Märchen der Bürokraten.

Dabei hatte sich der kranke Präsident Abdelaziz Bouteflika noch 48 Stunden vor der Wahl mit einer dramatischen Rede an seine Landsleute gewandt, von denen zwei Drittel jünger als 30 Jahre sind. „Meine Generation hat ihre Aufgabe erfüllt“, rief der 75-Jährige, dessen Amtszeit im Frühjahr 2014 endet. „Ihr Jungen müsst nun die Fackel übernehmen“ – einen Satz, den er drei Mal wiederholte. Die Generation, die das Land 1962 von den Franzosen befreit habe, habe nicht mehr die Kraft weiterzumachen. „Algerien liegt nun in euren Händen, kümmert euch darum.“

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